Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
verteidigen. Nun griff er unvermittelt in die Hautfalte an seinem Bauch und zog daraus die Flöte hervor, die er in den Katakomben von Acron an sich gebracht hatte.
    Mythor begriff, was der Mandaler vorhatte. Aber es war gefährlich, denn ein Moment der Unachtsamkeit konnte den Tritonen genügen, um Gerrek zu überwältigen.
    Da erklang bereits das Flötenspiel, zaghaft zunächst, als müsse der Beuteldrache nach Atem ringen, aber dann sofort lauter und wild fordernd. Eine schreckliche, nervtötende Melodie, fand Mythor. Der Klang des Instruments schmerzte seinen Ohren.
    Und nicht nur er litt unter dem Spiel.
    Die Tritonen, völlig verwirrt wirkend, als wüßten sie nicht mehr, was geschah, beendeten ihren Angriff. Die Zauberflöte schien ihren Willen zu lähmen, was möglicherweise mit dem besonders ausgeprägten Hörvermögen der Okeazar, das dem Leben unter Wasser angepaßt war, zusammenhing. Die Tatsache an sich war gar nicht so verblüffend, und Gerrek sprach es aus, als er nach einer Weile innehielt:
    »Learges’ Erzählung hat mich daran erinnert, daß dieses Instrument eine besondere Wirkung auf die Tritonen haben muß«, sagte er mit stolzgeschwellter Brust.
    Gudun, die sich zwischen den benommen wirkenden Fischmenschen hindurchzwängte, winkte ab.
    »Du, du und du«, wahllos griff sie einige Okeazar heraus, »ihr werdet uns zur Tempelkuppel führen.«
    Kein Widerspruch, keine feindselige Handlung, die Tritonen gehorchten. Und Gerrek spielte wieder auf der Flöte, entlockte ihr Töne, die schauriger waren als alles Vorangegangene.
    Aber nicht allein die drei Okeazar, die Gudun bestimmt hatte, sondern alle folgten den Menschen. Es half auch nicht, daß der Beuteldrache sich mehrmals umwandte, und sie zu verscheuchen suchte. Sie ließen sich nicht abweisen.
    »Geht!« brüllte Gerrek schließlich außer sich vor Zorn. »Ich will euch nicht mehr sehen.«
    Die Tritonen verharrten, stierten ihn aus seltsam blicklosen Fischaugen an. Mit keiner Regung gaben sie zu erkennen, daß sie ihn verstanden.
    Mythor fiel dem Mandaler in den Arm, als dieser sein Instrument abermals an die Lippen führte.
    »Nicht«, sagte er. »Du lockst sie damit nur weiter hinter uns her.«
    »Ich?« zischte Gerrek erstaunt, als wäre er von selbst nie auf diesen Gedanken gekommen. »Meinst du wirklich?« Was der Gorganer ihm antwortete, vernahm er nicht mehr. Erneut brandete Lärm auf, wurden Pfiffe laut und Schreie. Niemand hatte noch mit einem zweiten großen Angriff der Tritonen gerechnet, und als diese jetzt aus den Wänden hervorbrachen, war die Überraschung auf ihrer Seite.
    Learges’ Aufschrei ging in dem losbrechenden Tumult unter.
    »Spiel!« rief Mythor dem Beuteldrachen zu und stürzte sich mit blanker Klinge auf zwei Okeazar. Jene, die eben noch wie betäubt wirkten, schien das Geschehen aus dem Bann der Zauberflöte zu lösen.
    Gerrek stand unbeweglich wie ein Fels in der Brandung. Er führte die Flöte an seine Lippen und begann zu blasen. Doch nur zwei kurze Töne entlockte er den hölzernen Röhren, dann sprangen etliche Tritonen ihn an. Ihre Absicht war unverkennbar.
    Der Mandaler schüttelte sich und fauchte. Einen Angreifer konnte er zurückstoßen, die anderen hingen wie Kletten an ihm. Sie zerrten seine Arme nach unten und wollten ihm das Instrument entreißen.
    Gerrek trat wild um sich. Jetzt war ihm egal, daß das Wasser hoch aufspritzte. Krampfhaft versuchte er, die Flöte zu spielen, aber es gelang ihm nicht. Schließlich schlug ein Okeazar zu, und das wertvolle Stück wirbelte in hohem Bogen davon.
    »Na wartet!« kreischte der Beuteldrache. »Ich werde euch lehren…«
    Jetzt, da er die Hände frei hatte, packte er wieder zu. Zwei Tritonen verloren den Boden unter den Füßen, wurden hochgewirbelt und krachten zusammen. Lachend ließ der Beuteldrache sie fallen und fuhr mit vorgereckten Fäusten herum.
    Schwerter klirrten. Dem Klang nach war es jedoch kein heftiger Kampf, der ausgefochten wurde.
    »Es sind Learges Leute!« brüllte jemand. »Schont sie.«
    Der Tunnel begann stärker zu zucken. In rasch kürzer werdenden Abständen zogen die Wände sich zusammen. Wie ein Aufbäumen war es, ausgelöst von den Schmerzen, die der Kampf dem unbegreiflichen Wesen verursachte.
    Gerrek hatte Mythor aus den Augen verloren, aber er glaubte zu wissen, wohin der Gorganer sich gewandt hatte. Mit einemmal war Learges wirklich zur wichtigsten Person geworden. Tritonen kämpften gegeneinander, und zweifellos ging es dabei vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher