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Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres
Autoren: Hubert Haensel
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spendet. Plötzlich weiß ich, daß wir nicht mehr allein sind. Ohne daß es eigentlich will, sehe ich zu den Felsen hinauf, die vor uns aus dem Watt aufragen.
    Der Anblick der in weite, schwarze Gewänder gehüllten Gestalt läßt mich schaudern.
    Dieses Schwarz ist unbeschreiblich, ein wallender Brodem, der keine Farben kennt, der selbst das Licht verschlingt und damit für absolute Düsternis sorgt. Unter dem Eindruck fordernder Macht sinke ich auf die Knie.
    Auch ohne daß es einer von uns ausspricht, ist jedem klar: das muß die Meermutter sein.
    Gebannt blicken wir zu den Klippen hinauf, wo die schwarze Gestalt einen ekstatischen Tanz beginnt. Sie scheint über dem Boden zu schweben, so schnell und gleichzeitig leicht anmutend sind ihre Bewegungen.
    Ich will es nicht, erhebe mich aber trotzdem und setze zögernd einen Fuß vor den anderen. Schmatzend schließt sich der Schlick um meine Knöchel.
    Komm! Höre ich wirklich eine lautlose Stimme?
    Ich wehre mich gegen den unheimlichen Zwang, der ins Verderben führt. Meine Freunde scheinen nicht wahrzunehmen, daß der Tanz der Meermutter ein magisches Ritual ist, geboren von den Mächten des Bösen, uns zu willigen Opfern der Anemona zu machen. Ich will sie warnen, ihnen zurufen, daß allein schnelle Flucht uns retten mag, aber nur ein heiseres Krächzen dringt aus meinem Rachen. Niemand kann mich hören.
    Die anderen haben bereits festen Boden erreicht, als auch ich mit meinen Kräften am Ende bin. Alles ist vergebens. Ich lasse mich fallen, vergrabe mein Gesicht im kühlenden Schlamm. Wie ruhelose Geister umringen mich die Nebelschwaden, werden dichter, greifen nach mir. All die angestaute Furcht, das Entsetzen, brechen sich Bahn in einem gellenden Aufschrei, der schaurig über das Wasser hallt und immer von neuem zurückgeworfen wird. Zwischen den Felsen verklingt er schließlich.
    Plötzlich spüre ich Feuchtigkeit um mich her. Die Flut kommt. Ein heller Streifen Gischt wälzt sich heran… Für mich ist er Inbegriff der Hoffnung, der ewigen Erneuerung. Ich weiß nicht wie, aber ich schaffe es, dem Meer entgegenzukriechen.
    Als ich dann tauche, wäscht die See den durchlebten Schrecken von mir ab. Was bleibt, ist Verzweiflung, denn meine Gefährten werde ich wohl nie wiedersehen. Und das Schiff in den Farben des Regenbogens, das durch die Lüfte fliegt, bleibt für mich verschwunden.
*
    Bald darauf kommt es zu einem weiteren bewegenden Ereignis. Der Untergang einer Schwimmenden Pflanzenstadt in unmittelbarer Nähe des Nassen Grabes versetzt ganz Ptaath in erneute Aufregung. Sofort ziehen Ertachs Jäger aus, um die welkende Lumenia zu zerteilen, denn sie bedeutet Nahrung für lange Zeit. Gleichzeitig erhofft man sich auch Gefangene, mit denen man die Pferche füllen kann und die als Opfergabe die Göttin gnädig stimmen sollen. Vielleicht erlöst sie uns dann von der Plage der Entersegler und jener vierarmigen Bestie, die zuletzt in der Nähe von Pelleas-Verran und Mnore-Pas gesehen wurde, wo sie allem Anschein nach Brutstätten anlegt.
    Die Zelle der Schwimmenden Stadt, die ich zusammen mit einigen anderen Jägern vom Pflanzenstock abtrenne, treibt an die Wasseroberfläche. Ich kann nicht verhindern, daß die Inselbewohner davon verständigt werden. Sie sollen diesen Teil der Lumenia einholen und die darin eingeschlossenen Menschen der Anemona übergeben.
    Ein seltsamer Klang fasziniert mich, eine Folge von hohen und tiefen Tönen, wie ich sie vorher nie vernommen habe. Verführerisch sind die Laute, und ich muß mich zusammennehmen, will ich ihnen nicht erliegen. Einen Hauch von Schönheit vermitteln sie.
    Später höre ich dann diese Melodie wieder und weiß sofort, daß sie denselben Ursprung hat. Es ist in der Flüsterbucht. Ein seltsames Wesen entlockt die Töne einem fremdartigen Ding aus verschieden langen Holzstücken. Bei ihm sind etliche verwegen aussehende Frauen und auch ein Mann. Ich fühle, daß von ihnen etwas Besonderes ausgeht, und würde mich gerne mit ihnen unterhalten; aber da taucht Ertach neben mir auf und schleudert mich ins Wasser zurück.

7.
    »Kommt nur her!« fauchte Gerrek und schwang sein Kurzschwert mit aller Wut. Wütend schlug er einen gegen ihn gerichteten Dreizack zur Seite. Der Tritone taumelte, und das genügte dem Beuteldrachen, um zuzupacken und ihn mit einem blitzschnellen Griff zu lähmen.
    Breitbeinig stand Gerrek da und sah sich um, sein Rattenschwanz peitschte auf das Wasser.
    Die Amazonen hatten ihre Gegner bereits
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