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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Autoren: Bernd Köstering
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können. Doch Richard hatte diesen Automatismus ausgeschaltet. Na
ja, ein Profi eben …
    Über
den Zaun zu klettern, kam nicht infrage, das hätte meine lädierte Schulter
nicht mitgemacht. Vielleicht war es das Beste, einfach zu klingeln, mich als
Kollegen von KHK Volk auszugeben und ihn während des Gesprächs heimlich zu
warnen. Gedacht, getan, ich ging auf die Eingangstür des Hauses zu. Als ich
gerade die Klingel betätigen wollte, sah ich, dass die Tür nur angelehnt war.
Vorsichtig lugte ich durch den Spalt. Rechts ging direkt eine schmale
Holztreppe ins Obergeschoss, sie war mit halbkreisförmigen Teppichstücken
belegt. Geradeaus befand sich ein kleiner Flur, links an der Wand hing eine
Garderobe voller Mäntel und Jacken. Dahinter stand eine Zwischentür offen, ich
hörte Stimmen. Vorsichtig schlich ich hinein, lehnte die Tür wieder an. Unter
meinen Füßen befand sich Linoleum, das bei jedem Schritt leise quietschte. Ich
musste aufpassen. Zunächst wartete ich in dem kleinen Flur, behielt die Haustür
und die Treppe nach oben im Blick und lauschte. Mein Herz schlug erstaunlich
ruhig. Neben mir am Garderobenhaken hing eine Lederjacke, die mir irgendwie
bekannt vorkam. Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, wer da sprach,
und meinte Richard und eine Frauenstimme zu erkennen, konnte allerdings die
Worte nicht verstehen. Die Stimmen wurden immer lauter. Ich ging vorsichtig
weiter, Schritt für Schritt. Jetzt konnte ich Richard hören: »Frau Schlierbach,
wir wollen nur mit Ihnen reden, da brauchen Sie doch nicht gleich ein Gewehr
auf mich zu richten!«
    Ein
kalter Schauer lief mir den Rücken herunter. Hier braute sich etwas zusammen.
Wo waren nur Wolfgang und Sophie Kistner?
    »Mein
Sohn ist unschuldig, das sage ich Ihnen, Sie Superbulle, schön die Hände oben
lassen, klar!«
    »Klar,
ich bin ja auch gar nicht wegen Ihres Sohnes hier, sondern wegen Ihnen!«
    Das war
mutig, dachte ich. Er wusste, was er sagte, dennoch musste ich ihm helfen. Aber
wie?
    Dann
erklang eine zweite Männerstimme. Eine Stimme, die ich inzwischen gut kannte.
»Lass gut sein, Mutter, Herr Volk macht doch nur seinen Job. Er kann uns gerne
befragen.«
    Ich
lugte durch die angelehnte Wohnzimmertür. Richard saß mit hinter dem Kopf
verschränkten Händen auf der Couch links von mir. Davor, mir die linke Seite
zugewandt, stand Frau Schlierbach, ein Gewehr in den Händen. Sie zitterte. An
der geöffneten Terrassentür stand Joachim Waldmann und diskutierte mit seiner
Mutter, lebhaft mit den Armen wedelnd und vollkommen aufgeregt, wie ich ihn noch
nie erlebt hatte.
    »Es hat
keinen Zweck, Mutter, Herr Wilmut weiß sowieso alles.«
    »Herr
Wilmut, wer ist das denn?«, kreischte Frau Schlierbach, immer noch den Blick
auf Richard geheftet.
    »Ein
Literaturdozent, er kennt den ›Clavigo‹ genau, er ist Goethespezialist, er
weiß, was Reinhardt vorhat!«
    »Reinhardt,
pah, der ist mir so was von egal …«
    In
diesem Moment erschien eine groß gewachsene, schlanke, blonde Frau in der
Terrassentür. Endlich kommt Sophie Kistner, dachte ich erleichtert. Doch meine
Erleichterung schlug in Entsetzen um: In der Tür stand Dana Hartmannsberger.
Ihr Blick signalisierte absolute Entschlossenheit. Ohne ein Wort hob sie ihre
rechte Hand und feuerte. Joachim Waldmann ruderte noch mit den Armen, bevor er
zusammenbrach.
    Frau
Schlierbach schrie auf, als sei sie selbst getroffen worden. »Pierre!«, rief
sie in einer Tonlage, die keine Schauspielerin der Welt je so hätte wiedergeben
können. Sie drehte das Gewehr herum in Richtung der Schützin. Aber es war
bereits zu spät, der zweite Schuss traf sie mitten in die Brust. Dana
Hartmannsberger sah sich um, groß und blond, so wie ich sie aus dem Keller der
Weimarhalle in Erinnerung hatte. Ein eiskalter Engel. Blitzartig ging mir das
Bild auf Liebrichs Kamin durch den Kopf. Dana Hartmannsberger mit einem Hund .
Das also war des Pudels Kern!, sagte Faust auf dem Weg zur Erkenntnis.
    Sie
erblickte Richard Volk, der gerade dabei war, seine Dienstwaffe aus dem Holster
zu ziehen. Sie zielte. »Nein!«, schrie ich in den Raum. Sie reagierte schnell.
Keine Verblüffung, keine Schrecksekunde, nur ein kurzes Umdenken. Ich hatte
vielleicht zwei Schritte auf sie zu gemacht, da traf mich der Schuss. Genau in
den Brustkorb. Es fühlte sich an wie ein mächtiger Faustschlag. Ich wurde nach
hinten geschleudert, verlor das Gleichgewicht, meine Sinne entschwanden. Ich
lag auf dem Boden und kurz bevor ich bewusstlos
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