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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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ein Gedicht für seine jüngste Amour machen möchte. Es kann aber auch ein altes sein! Oder er ändert eines um!«
    Der Herzog tat vorerst etwas Anderes. Er hielt sich den Bauch über den streng gemessenen Bückling – keinen Zoll zu viel und keinen zu wenig! – mit dem Goethe, aus dem Flur in die Bühne des Gartens getreten, vor ihm Halt machte. »Haben sie dich endlich losgelassen, oder bist du ausgerissen?« lachte er unangenehm laut, so, wie Unbeteiligte über den Ärger der Anderen lachen. Aber Goethe antwortete nicht. Stumm ließ er sich auf der weißen Bank an der Hauswand nieder. Das Dach bildete Schirm über ihr und den paar Sesseln und dem Tisch, die da standen. Draußen aber, wohin der müde Blick nun wanderte, fiel aus dem grauschwarzen Himmel der Regen, die Bäume und Büsche tropften ergeben, seufzend sog der Boden ein.
    »Na?« stampfte der hübsche Fürstenfuß ungeduldig die Steinplatte.
    Aber Goethe antwortete auch jetzt nicht. Das Auge, tief verhaftet dem Chaos des finsteren Gartens, das, so dürftig, kalt und altbekannt es auch war, dennoch anzog, weil es eben Chaos war, pflückte vom hintersten Vorhang der Fliederbüsche die lechzenden Worte ab: »Das Land der Griechen mit der Seele suchend.«
    »Sie haben den Entwurf abgelehnt«, sagte er plötzlich mit raschem Augenaufschlag.
    »Ich wüßte nichts, was mir gleichgültiger wäre!« lachte Karl August kurz. »Machen wir es eben ex plenipotentia regis! Du bist doch sonst nicht verlegen?«
    »Aber müde!«
    »Vermehre die Jasager! Will einer einen Orden? Geld habe ich keines!«
    »Eben!«
    Ungewiß, lange wartend, sah ihn Karl August an. Als Goethe trotzdem, ja wie zum Trotz krampfhaft weiterschwieg, sagte er: »Ich bleibe, soviel Mühe ich mir auch gebe, die Mitgift meiner verdammten Natur abzustreifen, leider doch immer ein Fürst. Abends nach acht will ich von Regierung nichts mehr wissen. Du hingegen . . .«
    »Ja – ich!« Bitter wie Galle kam es aus Goethes Munde. »Ich bin noch um Mitternacht Feuer und Flamme dafür!«
    »Und versumpfst langsam darin!«
    »Scheinbar meine Pflicht!«
    »Als ob es für diese Pflicht eines Goethe bedürfte!«
    Der Degen an Goethes Seite klirrte. »Sie haben mich in das Amt gesetzt!«
    »Aber doch nicht gegen deinen Willen, soviel ich mich erinnere?«
    »Ich bin jeden Augenblick bereit«, stieß Goethe heiser hervor, »es in Ihre Hände zurückzulegen!«
    »Um dann den Triumph zu genießen, daß der Nachfolger umschmeißt. Und er muß umschmeißen! Du hast doch alles so höchst eigenpersönlich Goetheisch eingerichtet, daß ein Müller oder Meier oder Schulze, der nach dir käme, sich die Haare ausraufen müßte, bevor er sein Normalgehirn in deiner Politeia unterbrächte!«
    »Ich mache doch nichts allein!«
    »Ah ça! Gar nichts? Gar alles!« Sollte der Herr Dichter und Minister nur wieder einmal erraten, wie die Kamarilla, die gegen ihn hetzte, seinem gnädigsten Herrn die Ohren vollsang, und wie sein gnädigster Herr nicht so dumm war, die Diktatur nicht zu spüren, die von dieser sogenannten olympischen Stirn aus das Land und seine Leute – und seinen Herzog beherrschte. »Du bist zum Tyrannen geboren! Das habe ich dir oft schon gesagt! Aber von mir aus magst du es ruhig bleiben« – wütend, weil Goethe bei diesem »magst« jäh aufgezuckt hatte: »also: sollst es ruhig bleiben! Mon Dieu! Das ginge mir noch ab, daß auch du Faxen machst und so tust, als wüßtest du nicht, daß ich kein heuriger Hase bin! Deine Verdienste kennt niemand besser als ich . . .«
    Blitzschnelle Handbewegung. »Und doch tun Sie so, als ob ich ein Dienstbote wäre, der das weitere Bodenscheuern davon abhängig macht, daß ihm der Herr versichert, er habe es bisher recht ordentlich besorgt! Euer Durchlaucht sind zwar sehr gnädig . . .«
    »Laß deine Durchlaucht fahren! Zum Teufel!« Eine zornige Furche legte sich über der noblen Temperamentnase senkrecht in die rotgewordene Stirn Karl Augusts. »Das weiß ich nach elf Jahren Zusammenlebens selber, daß du kein Lakai bist und daß du dir über mich Gedanken machst! Deine Verdienste kennt niemand besser als ich, und sie wären selbst dann inkommensurabel mit dem, was dir mein windiger Hof bietet, wenn du aus geschwollenem Ehrgeiz – als Streber dientest! Ein Regierender kann nur zweierlei Arten von höchstem Diener haben: entweder eine Puppe, die macht, was er anordnet, – und dazu sag' ich: danke! – oder einen Mann, der es besser als er kann und ihn darum um
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