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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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Vorbereitung!«
    »Sehr wohl, Exzellenz! Und darum hat ein Landlehrer noch heute ganze siebzehn Taler Jahrgehalt, das Land kein Lehrerseminar, das Gymnasium einen morschen Lehrplan, und ist die Garnisonsschule – die Schule der Kinder unserer glorreichen Armee! – die einzige, in der wir bisher etwas wirken konnten! Fange ich nun aber erst noch mit der Universität in Jena an . . .«
    »Gewiß!« Tieftraurig senkte Schmidt den Kopf. »Vier Höfe, die dreinzureden haben!«
    »Und Weimar, das sozusagen alleine zahlt!« seufzte bänglich Schnauß.
    »Trotzdem!« Geräuschvoll mächtig, zum leiblichen Protest, erhob sich der Herr Staatsminister im Herzogsstuhl; breit legte er beide Hände in den Tisch hinein. »Trotzdem: er malt zu schwarz! Zu finster!«
    »Ja doch! Zu düster!«
    »Ist denn kein einzig Lichtlein da?«
    »Sähe ich nicht auch die Lichter,« – schonungslos durchbohrte Wort und Aug zum zweitenmal die Dreie – »dann säß' ich nicht noch da. Weil ich jedoch noch dasitze, sprech ich's auch offen aus: Ich lasse mich nicht täuschen. Was wir da tun, ist fruchtlos Tun, weil Tun mit unzulänglichen, niemals vollen Mitteln. Der Kampf, den wir da kämpfen, Kampf gegen Wind. Sisyphusarbeit unsere Arbeit. Fortfretten, fortfristen können wir die Bettlerexistenz dieses Kleinstaats. Mehr nicht! Und wenn wir uns den letzten Atem aus der Seele schinden!«
    »Hm.«
    Auch der Geheimerat Schnauß machte »Hm«.
    Nun auch Geheimerat Schmidt, um einen Halbton leiser, machte »Hm.«
    Das schöne Haupt des Herrn Staatsministers, daß der Puder flog, lehnte sich nach rückwärts über die Lehne.
    Blieb eine Weile lang in dieser Lage.
    Dann, fast jugendlich rasch, hob es sich zurück. Leichtfertig beinahe glomm das Auge auf. »Sie sind stumpf gearbeitet, Herr Geheimerat!« sagte er wohlwollend über den Tisch hinaus.
    Der wieder bleichgewordene Geheimerat lächelte unbewegt. Er hatte nichts mehr zu sagen.
    »Es kommen solche – wenn ich sagen darf, persönliche Stimmungen über jeden von uns; dann und wann.«
    Steinern lächelte der bleiche Geheimerat. Er hatte wirklich nichts mehr zu sagen.
    »Übrigens, sollten Sie nicht Serenissimo andeuten . . .« Rasch brach der Staatsminister ab: Der Conseildiener Barthner, ein weißhaariger, würdiger, mit Medaillen vollbesetzter Mann, war eingetreten. Auf den Zehen, nach tiefem Bückling, schlich er an den Stuhl des bleichen Geheimerates heran; meldete flüsternd: »Seine Durchlaucht, der Herr Herzog erwarten den Herrn Geheimerat unten im Fürstenhaus.«
    »Bitte!« erwiderte der Herr Staatsminister sofort den fragenden Blick von gegenüber. Glut war in sein Gesicht gestiegen. Überschnell erhob er sich. »Wir sind ja ohnedies seit einer Stunde fertig. Ich meinte nur« – zwiespältig trat er, von Schmidt und Schnauß umflankt, vor den Gerufenen hin –: »sollten Sie nicht unserem gnädigsten Herrn zu verstehen geben, daß unsere ›Bettlerexistenz‹ seine Preußenpolitik nicht wohl verträgt?«
    »Ich tue, was ich kann.«
    »Und was das Reglement betrifft« – gefolgt von Schnauß und Schmidt, trat der Herr Staatsminister in die Tür –: »Sie sorgen für Emendation des Entwurfes?«
    »Ich werde pflichtschuldigst referieren.«
    Krampfhaftes, starres Abschiedslächeln. Sanft schloß sich der Flügel. Erst als draußen im Korridor die Schritte verklungen waren, verschwand auch der bleiche Geheimerat. Durch die Tapete.
    »Ist Götz da?« fragte er im Durchschreiten des langen, schmalen Gemachs, das seine Kanzlei vom Conseilsaal trennte, den Diener.
    »Zu dienen, Euer Exzellenz.«
    »Er soll herein!«
    Götz aber war ein Haustier. Erst nach guten fünf Minuten trat er ein. Als er den Herrn Geheimerat, auf den der Herzog ungeduldig wartete, vor dem ungeschlachten Schreibtisch sitzen sah, im Dämmerlicht des Regenabends, der ohne jede Liebe hereingrinste, war sein Erstes: »Der Herzog marschiert schon seit einer halben Stunde im Garten unten und wartet auf Ihnen.«
    »Hast du die Gesellschaft bei mir abgesagt?«
    »Jawohl. Der Herr Generalsuperintendent wird aber auch bei Frau von Stein Abendbrot essen«, sagte er.
    »Ist Sutor mit den Sachen ins Gartenhaus hinaus?«
    »Um sechse schon. Der Fritz ist mit ihm.«
    »Kriegt der was zu essen, draußen?«
    »Sutor hat Eier und Wurst mit. Aber – der Herr Herzog wartet! «
    Der Herr Geheimerat sprang auf. Sah den Mann mit blitzenden Augen an, – so lang, bis der abtrat. Dann, wie ein Krüppel, der früher einmal Athlet
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