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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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Sinne der Erweckung darin, daß man sein Herz vernichtete und Blut an Stelle des Herzens setzte? Rechtfertigte es die Gnade der zweiten Geburt, daß sich der menschvertriebene, herzbeleidigte Geist, um sich den Atem zum Weiterfliegen zu holen, trivialisch erniedrigte?
    Oder: ist sich – tief legte sich Goethe, den Blick tief draußen in der Nacht, in den Sessel zurück – ist sich ein guter Mensch in seinem dunklen Drange des rechten Wegs doch stets bewußt?
    »Denke nicht! Grüble nicht! Bereue nicht! Zögere nicht! Tue! « Und wieder erfaßte ihn die Zeit. Und entführte ihn. Als es vom versunkenen Ufer herüber zwölf Uhr schlug, standen Tassos heiligster Jauchzer an die entsagende Liebe, und Leonores heiligste Sehnsucht nach entsagender Liebe wie goldenes Gewirke aus Seele und Leib auf den tränenbeträufelten Blättern. Drinnen im tiefbegrabenen Herzen, das schmähende Reue zerriß und, zur gleichen Zeit, restlose Kenntnis seines menschlichen Wesens beschwichtigte, schwangen die Jahrtausende ungestört ihre ewigen Mäntel, streuten die Geister unbehelligt die ewigen Funken. Hinter dem Geist aber, der dies Herz barg und wie aus marmornem Brunnen mit unfehlbarer Hand Woge auf Woge heraufschöpfte, um ein Stück seines menschgewordenen Faust Mensch werden zu lassen, flammte Fausts wissendes Auge und war beides: Träne und Lachen zugleich. »O!« rief der zuckende Mund des göttlich unergründlich Befohlenen weh in die Himmel empor, als er, in finsterster Nacht, zum drittenmal unten stand im geheiligten Raume. »Wer es nicht weiß, daß ich Jesus sein möchte, erdelos, fleckenlos, ungetrübt, – wenn ich nicht ich sein müßte! Einsamer Seher, um – überhaupt zu sein!« Und wie angerührt vom letzten Geheimnis alles Lebendigen, schüttelte er das zwiefach umkränzte Haupt. Denn, siehe! beide Melodien, die er bewußtlos heute in die Welt gerufen und bewußt wieder zerrinnen geheißen hatte, – einträchtig klangen sie nun, webten sie, sangen sie nebeneinander durch die lichtlose Nacht. »Nein!« wehrte er wehmütig ab; ihnen beiden. Und preßte die einsame Stirn an den Stamm der Linde, die sie schweigend verstand. »Daß ich mein Herz nun dir, Liebste, und allen entzog und an mich nahm, dafür zahle ich – der Himmel ist Zeuge! – mehr als reichlich Tribut! Aber . . .«
    Und da sah er es klar: das ist alles schon geschehen! In Italien ist dies alles schon geschehen! Nun bestätigte die Geburt noch: die Heimat! Ruhig löste er sich vom Baume. Friedlich grüßte er Felsen, Strauch, Efeu, den Boden, die Bank. Und auch als das Auge, indes der Fuß schon dem grabstillen Hause zustrebte, keinen Stern im Himmel gewahrte, nur geebnete, reglose Finsternis, blieb es ungerührt stark. »Das ewig Männliche zieht uns hinan!« sagte er laut vor sich hin, schritt zur Mauer und griff nach der Pforte.
    Ende.
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