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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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»hast du allein oder mit Tischbein gemacht?«
    »Ja. Oder mit Kniepen.«
    »Oder mit – kurz: mit den Freunden oder – Freundinnen?«
    »Ich hatte keine Freundinnen!«
    »Ich meine: mit jenen Freunden und mit der einen oder der anderen . . . . .«
    »Ich hatte keine eine oder andere!«
    »Du hast doch jüngst selbst gesagt . . . .«
    »Ich habe dich mit dem Herzen nie verraten!«
    Blitz und Donner, und doch keine Hilfe? »Erzähl weiter!« bettelte sie.
    »Nein! Ich erzähle jetzt nicht weiter!«
    »Doch!« In grausiger Furcht, – sie wußte genau vorher, wie es nun enden müßte –: »Erzähle! Erzähl weiter!«
    Mit einem verzweifelten Sprung schoß er auf aus den Kissen, Dolch und Feuer im Auge. »Wenn du es nur endlich einmal natürlich nehmen wolltest! Sehen, erfassen, begreifen, aber nicht starrköpfig beurteilen! Da stehe ich zum zweitenmal vor dir, mache kein einziges Geheimnis aus meinem Erleben, decke mich dir völlig auf, zeige schamlos, wonach ich mich sehne, wessen ich bedarf, was ich nicht entbehren kann . . . . .«
    Wie ein Pfeil von Gift sauste es von ihren Lippen: »Du kannst sagen, was du willst, aber – es ist nicht Liebe!«
    »Ja, um des Himmels willen,« rang er gefoltert die Hände, »gibt es zwischen Menschen, wie wir zwei sind, denn wahrhaftig und wirklich nur den einen, engen, egoistischen Begriff der Liebe?«
    Und sie erstarrte im Nu. Als ob sie gefrierend sich zusammenzöge, mit ganz und gar ratlosen Augen sah sie ihn an. Ihre Glieder schienen wie auf Befehl das Leben zu verlieren. Ihre Lippen bebten nicht unter der Wunde des Schwerts, das der Teufel der Teufel geschwungen hatte. Die Hände, die sich vom Stickrahmen gelöst hatten, suchten sinnlos im Schoße. »Ist das dein Ernst?« wollte sie, im letzten Aufzucken von Hoffnung, noch fragen. Aber jede seiner felsern gewordenen, rastlos und rücksichtslos verschlossenen Mienen, der Nachhall seiner drohenden Stimme, die lähmende Geradheit seines aufgereckten Leibes bestätigten: »natürlich ist es mein Ernst!« »Ich kann machen dagegen, was ich will«, stieß sie endlich armselig hervor, wie papierdünnes Messer, das Fleisch schneidet, klang es, »alle Müh ist vergebens. Es ist stärker als ich! Du hast mich verlassen und verraten, und kamst als absichtlicher, fast eitler Egoist zurück! Darüber komme ich nicht hinweg! – Deshalb brauchst du nicht bleich fortzugehen!« sprang sie wahnsinnig auf, weil er sich stumm eben verbeugte und ihre Hand an die Lippen zog. »Eine Rücksicht, glaube ich, bist du mir jedenfalls schuldig? Zu sorgen, daß nicht auch noch die Leute . . . .«
    »Gewiß!« Eisig, in keinem Zug mehr anderes als Ende, verbeugte er sich zum zweitenmal. »Daran will ich's nicht fehlen lassen!«
    Und ging.
    Wie eine Statue starrte sie ihm nach. Was geschah nun?
    Was war nun?
    Ja! Was ist jetzt? Ein kaltes, unschönes Lächeln ging über Goethes Gesicht. Er wollte es in viel zu genauer Kenntnis seines Sinns, vertreiben. Es blieb. Groll? Schmerz? Weh? Gar nichts tat weh! Es war höchstens Bedauern darüber da, solange gebraucht zu haben, um bekehrt worden zu sein. Wovon bekehrt? Rasch ging er über die Ilmbrücke. Am andern Ufer angelangt, blieb er stehen. Drehte um. Kein Zweifel! Diese Brücke stürzte jetzt ein. Die Joche sanken in den Boden. Das Dielenwerk folgte. Mit einem Krach sausten Sparren, Streben und Trümmer nach. Unerstaunt schwemmte der Fluß das Zerbrochene fort. Die Stadt jenseits aber verlor ihr bekanntes Gesicht. In dieses zurück gab es keine Wiederkehr. Schonungslos, während Türme, Dächer, Wälle, Tore, Zinnen, Giebel sich wie in einem Märchenspiel verwandelten, mußte es gedacht werden: die Vergangenheit stirbt in diesem Augenblick, und – ein neues Leben beginnt!
    Welches?
    Überlegen ging er die Anlagen durch; in den Stern hinein. Bolzengerade Entschlossenheit kam in sein Wesen. Weder Reue, noch Grauen. Der Würfel ist gefallen! Und so, wie er hatte fallen müssen. Als er, mitten in der Wiese, abseits vom Weg, ein zärtliches Paar gewahrte, lächelte er mitleidig. Als ob es nicht von allem Anfang an festgestanden hätte, daß: zum zweitenmal geboren werden, heißt: reif werden, um vom eigenen Kapital zu leben! Natürlich! Mit knöcherigem Griff fuhr die Rechte über die Hirtentaschen, Sauerampfer und Labkräuter hin, durch die er unbewegt schritt. »Es werden noch Hunderte von Menschen in mein Leben treten. Es wird auch wieder Feuer fangen, Liebe fühlen, sich mitteilen,
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