Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
strenge Auffassung von Pflicht und seine unerschöpfliche Arbeitskraft. Aber: dieser Mann war sozusagen als grüner Junge in den Conseil gekommen! Jeweils ein Klopferchen aufs Dach schadete ihm also nicht. »Im übrigen dürfte es mir ebenso leicht gelingen, Serenissimum bei der nächsten Gelegenheit von unseren Bedenken zu überzeugen, als es Ihnen, Herr Geheimerat, – bei Ihrer agilité im Schreiben – Kinderspiel sein wird, den Entwurf in etwas gesetztere, autoritativere, ponderösere, – mit einem Wort: angemessenere Formen zu bringen. – Haben die Herren noch andere Referenda?«
    Ja! Schnauß hatte fünf, Schmidt sieben Vortragsakten. Mit der zeitverachtenden Gründlichkeit der Bürokraten, die Essen, Trinken, Schlaf, Familie, – das Leben überhaupt vergessen, sobald sie einen Akt vor sich haben, legten sie sie dar: Bagatellen, von unerbittlicher Gewissenhaftigkeit in Folianten ausgequetscht.
    Und ruhten nun. Erleichtert in die Sessel zurückgelehnt, die geschlossenen Akten vor dem zufriedenen Blick; die Hände unter den adretten Krausen adrett gefaltet.
    »Herr Geheimerat – nicht auch ein Stück?«
    »Nein.«
    »Hm.« Der Herr Staatsminister räusperte sich. Noch einmal. Nahm dann aus dem Täschchen rechts im Frack die Silberdose. Öffnete sie mit wohlerwägenden Fingern und griff die Prise. Die braunen Körnchen, die aufs Jabot gefallen waren, entfernte er mit diesen wohlerwägenden Fingern wie mit der Pinzette. »Im großen Ganzen kann man sagen« – drittes, geräumigstes Räuspern – »geht es doch langsam aufwärts jetzt!« Gewiß sei noch Vieles zu tun. Nichts und nirgends locker zu lassen. Das schwer Errungene beharrlich festzuhalten. Der Sinn des Fürsten immer wieder den Bedürfnissen des Landes anzuzwingen. Die Bevölkerung auf jede Weise zum Vertrauen auf die liberalen Absichten der Regierung zu erziehen. Die Beamtenschaft an strenge Disziplin zu gewöhnen. Die Grenze nicht zu übersehen, bis zu welcher zu wirken möglich sei, aber auch nicht untätig verzagt zu werden vor dieser Grenze. »Die vier Territorien des Herzogtums gleichen sich mählich einander an . . .«
    »Sehr richtig!« lispelte Geheimerat Schnauß.
    »Die Stände sehen langsam ein, daß, was des Fürsten ist . . .«
    »Des Fürsten sein muß!« unterbrach fest und feierlich Geheimerat Schmidt.
    »Jawohl! des Fürsten ist. Die Kammer . . . .«
    »Ist in Ordnung!« warf blitzschnell der bleiche Geheimerat ein.
    » . . . . kommt mit der Zeit in Regeln. Die Kriegskommission . . . .«
    »Ist in Ordnung!« warf zum zweitenmal der bleiche Geheimerat ein.
    »Die Wegebaudirektion . . .«
    »Ist in Ordnung!« erklärte zum drittenmal der bleiche Geheimerat.
    Der Herr Staatsminister lehnte sich zurück; ließ seinen grauen Blick – diesen Blick, der sämtliche Persönlichkeiten des Herzoghauses bis hinab zu den nascituris ebenso restlos und lückenlos durchdrang wie jeden Winkel des Landes Weimar, des Landes Eisenach, der Jenaischen Landesportion und der Hennebergschen Erbschaft – lange auf der gallgelben Miene des bleichen Geheimerates verweilen. Kein Zweifel! Er anerkannte den Mann dieser Miene; in vollem Maße. Aber gegen Antipathien ist nicht zu streiten! »Das Land ist den verehrten Herren ewig Dank dafür schuldig«, sagte er endlich – aber nur Schmidt und Schnauß verneigten sich, denn nur nach links und rechts war dieses Lob geflossen – »dafür, daß Sie in unermüdlicher Aufopferung stets nur das Beste, das Abgewogenste wollen und vorkehren; sich, so möchte ich sagen, ohne jedwedes Schielen nach Fürstengunst und personalem Vorteil den aufreibenden Geschäften hingeben und . . . . kurz und gut! Tatsächlich kann denn auch bemerkt werden, daß, zum Beispiel, die mannigfachen Maßnahmen der vortrefflichen Generalpolizeidirektion . . .«
    »Des hochzuverehrenden Oberkonsistoriums!« erlaubte sich Geheimerat Schnauß ergebenst beizufügen.
    »Auch dieses. Aber selbst die Lokalbehörden, ja sogar die Landschaftskassendirektorien beginnen Morgenluft zu wittern.«
    »Wie fein gesagt!« lächelte Geheimerat Schmidt in wonnigem Entzücken.
    »Ja!« Der Brustkasten des Herrn Staatsministers hob sich, die Krause des Jabots ward gebläht, die Wangen bekamen Schimmer. »Es ist doch ein Hauch von neuem Geiste, – von universalerer Ordnung, bewußterer Einfühlung, tieferem Zusammengehörigkeits- und Verantwortlichkeitsgefühl zu spüren.« Jäh erhob er sich. Der bleiche Geheimerat hatte auffallend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher