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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis
Autoren: Adam Fawer
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sind?», fragte sie.
    «Sie sind beide in der Stadt.»
    «Und sie tragen noch immer ihre Ketten?»
    «Ja», sagte der Blinde, und Schuld und Reue sprachen aus seiner Stimme.
    Darian atmete aus. «Dann wird es wohl Zeit, dass wir sie uns zurückholen.»
     
    Valentinus hörte das Gespräch noch einmal an. Er starrte auf die bunte Grafik auf seinem Bildschirm – ein blaugrüner Würfel verwandelte sich in eine gelbliche Pyramide, die sich drehte und wendete, bis sie zu einer roten Kugel wurde.
    Obwohl sich Laszlo offensichtlich Sorgen machte, fiel Valentinus doch auch auf, wie selbstbewusst er war. Laszlo sammelte sich, er war kampfbereit. Darian war ganz anders. Sie hatte Angst. Sie war schwach, nicht so klug wie Laszlo, und auch nicht so stark. Aber sie war Laszlos Achillesferse.
    Als nach dreijähriger Suche Laszlo noch immer nicht aufzufinden war, hatte sich Valentinus auf Darian konzentriert. Er hatte vermutet, dass auch sie sich gut versteckte, doch Valentinus verfügte über ausreichend finanzielle Mittel und vor allem den entsprechenden Willen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Valentinus sie – nachdem er eine halbe Million Dollar für Privatdetektive ausgegeben hatte – an seinem Frühstückstisch entdeckte.
    Er hatte die Zeitung aufgeschlagen, und da war sie – sie starrte ihn aus dem Sportteil an. Sie saß im Dodger Stadium, in der ersten Reihe, einen halben Meter hinter Kenny Lofton, als dieser kurz vor Spielende seinen legendären Fang machte. Zwar war das Foto etwas unscharf und sie seit der letzten Begegnung um sechzehn Jahre gealtert, aber es bestand kein Zweifel.
    Wie alle Bilder jenes letzten Tages hatte auch ihr Gesicht sich tief in seine Erinnerung eingeprägt.
    Bis zum Mittag hatten seine Leute die Kreditkarte ausgemacht, mit der die Tickets bezahlt worden waren, und zwölf Stunden später wusste er alles, was es über diese Frau zu wissen gab, die heute Darian Wright hieß. Sie war reich, sie hatte über zwanzig Millionen Dollar auf der Bank, offenbar das Ergebnis diverser einträglicher Scheidungen.
    Valentinus hätte gern Kontakt zu ihr aufgenommen, aber in erster Linie hatte er es auf Laszlo abgesehen. Deshalb engagierte er ein Team aus Detektiven und Kopfgeldjägern, die sie rund um die Uhr beschatteten. Nach anderthalb Jahren bekam Darian dann endlich den Anruf, auf den Valentinus gewartet hatte. Das Gespräch dauerte keine Minute, gerade lang genug, der Mann am anderen Ende der Leitung nannte nur Ort und Zeitpunkt des Treffens, doch seine Stimme ließ keinen Zweifel.
    Am nächsten Abend wurde der Reinigungstrupp im Starbucks am Astor Place durch Valentinus’ Überwachungsteam ersetzt. Unter allen Tischen und Stühlen brachte man Mikrophone an, in beiden Toiletten und sogar im Lagerraum. Als sich Valentinus am nächsten Morgen ihr Gespräch anhörte, dachte er eigentlich, er sei auf alles vorbereitet. Doch dann verriet Laszlo etwas gänzlich Unerwartetes – Elijahs und Winters jetzige Identität.
    Laszlo sagte, die beiden hätten keine Ahnung von ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Er fragte sich, was wohl passiert sein mochte. Hatten sie ihr Leben in seliger Ahnungslosigkeit verbracht oder einfach den Verstand verloren?
    Valentinus ballte die Fäuste, als er daran dachte, was von seinem Leben übrig gewesen war, als Laszlo ihn damals zurückgelassen hatte. Valentinus holte aus und schlug mit der Faust an die Wand. Es tat höllisch weh. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf den Schmerz, um nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. Er musste sich zusammenreißen.
    Die Ketten waren der Schlüssel. Er lächelte, als er im Geiste einen Plan fasste. Wenn er schnell handelte, konnte er Laszlo und Darian bald aus dem Weg schaffen. Und waren die beiden erst tot, konnte er das letzte Gefecht angehen, unendlich viel schwieriger …

KAPITEL 2
29. DEZEMBER 2007 – 14:46 UHR (57 STUNDEN, 14 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Angestrengt sah Elijah Glass in den halbdurchlässigen Spiegel. Die Leute auf der anderen Seite wussten, dass sie beobachtet wurden, aber es war ihnen offenbar egal. Er schüttelte den Kopf. Die Vorstellung, freiwillig mit wildfremden Menschen zusammenzusitzen, um sich von noch mehr Fremden beobachten zu lassen …
    Der bloße Gedanke trieb ihm rote Flecken in sein blasses, sommersprossiges Gesicht. Er atmete tief ein und berührte mit dem Zeigefinger das silberne Kruzifix an seiner Brust. Das warme Metall auf der Haut beruhigte
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