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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis
Autoren: Adam Fawer
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empfanden, fragten sie Elijah Glass.
    Seit fünf Jahren standen Filmstudios und Fernsehsender bei Elijah Schlange. Bereitwillig nahmen Hollywoods Studiobosse, die an schwierige Stars gewöhnt waren, Elijahs Schrullen hin (zunächst hatte er sich nur geweigert, den Leuten die Hände zu schütteln, inzwischen verbot er «jeden Kontakt, visuell noch sonst wie»). Tatsächlich trug sein gewöhnungsbedürftiges Verhalten nur dazu bei, seinen Ruf als empathisches Genie zu fördern.
    Bis vor drei Monaten hatte Elijah Klienten, die nicht in der Unterhaltungsindustrie tätig waren, rundweg abgelehnt. Dann rief Terry Saunders an, mit einem Angebot, das er nicht hatte ablehnen können – sie bot ihm ein Vielfaches seines üblichen Honorars, wenn er sich bereit erklärte, ausschließlich für New Yorks jüngsten Kongressabgeordneten zu arbeiten, den designierten neuen Stern am Himmel der Partei.
    «Er hat gute Chancen, im Herbst Gouverneur zu werden», sagte Terry. «Und ich schätze, danach dürfte der Weg ins Oval Office nicht mehr weit sein.»
    Elijah war skeptisch. Er konnte nicht glauben, dass jemand, der so jung war wie er selbst, einer solchen Verantwortung gewachsen war. Doch dann hatte Terry ihm eine DVD mit Reden des Kongressabgeordneten gegeben.
    Sie waren in jeder Hinsicht absolut grandios. Dieser Mann war ein brillanter Redner, ehemaliger Pfarrer mit unbestreitbarem Charisma, wobei er eher jugendlich wirkte – vergleichbar nur mit Reagan oder Clinton. Eine Woche später hatte Elijah unterschrieben. Größtenteils machte ihm die Arbeit Spaß. Aber wenn er gewusst hätte, dass er so lange in New York City würde bleiben müssen, wo die Menschenmassen sich auf den Bürgersteigen drängten, hätte er wahrscheinlich darauf bestanden, von L.A. aus zu arbeiten.
    Elijah versuchte, nicht daran zu denken, und erklärte abschließend, welche Aspekte des dritten Werbespots verändert werden mussten. Schließlich schaltete Terry ihren Blackberry aus und verstaute ihn in ihrer Handtasche.
    «Ich muss los, sonst komme ich zu spät zu dem Essen», seufzte sie. «Unser Abgeordneter war ganz enttäuscht, dass du nicht mitkommst. Du bist der Einzige von den wichtigen Leuten aus seiner Wahlkampftruppe, den er noch nicht kennengelernt hat.»
    «Was hast du ihm gesagt?»
    «Die Wahrheit – dass das Genie hinter der verspiegelten Wand nicht auf Manhattan steht, weil es unter Ochlophobie und Haptophobie leidet. Leider ist er nicht auf dem neuesten Stand der Phobienforschung. Ich wollte sie pantomimisch darstellen, aber die Angst vor Menschenmengen und Berührungen ist allein nur schwer nachzuspielen. Hättest du eine Idee, falls er mal wieder nachfragt?»
    «Du könntest für jede Phobie einen Finger hochhalten, dich unterm Tisch verstecken und anfangen zu weinen.»
    «Könnte peinlich werden.»
    «Keiner hat behauptet, dass Schauspiel eine einfache Angelegenheit sei.»
    «Oder amüsant.»
    «Vielleicht für Franzosen.»
    Elijah starrte auf seine Hände, die leicht zitterten. «Ehrlich … es tut mir leid, dass ich nicht mitkommen kann. Es ist einfach … na ja, du weißt schon.»
    «Keine Sorge», sagte Terry. «Dir haben wir es zu verdanken, dass wir schon fünf Prozent zugelegt haben.»
    «Sind nur die Vorwahlen.»
    «Man kann den Krieg nur gewinnen, wenn man die erste Schlacht überlebt.» Terry ging zur Tür, dann wandte sie sich um. «Deine Phobien werden schlimmer, oder?»
    «Woher weißt du?», entgegnete Elijah verlegen.
    «Ich mag ja nicht so helle sein wie du, aber man hält mich allgemein für einen Menschen mit ausgeprägtem Instinkt.» Sie sah ihn an. «Außerdem hat mich der Hausmeister gefragt, wieso du heute Morgen schon um fünf hier aufgetaucht bist.»
    Elijah spürte, wie er rot wurde. Terry wusste, dass er Menschenansammlungen nach Möglichkeit mied, aber sein Verhalten in jüngster Zeit war in gewisser Weise doch extrem. Drei Stunden hatten ihn die Wachleute in der Lobby warten lassen, und doch war es die Sache wert gewesen, denn so konnte er dem morgendlichen Gedränge auf den Straßen von Midtown entgehen.
    «Ich habe das Gebäude ausspioniert. Für einen Raub.» Elijah versuchte es mit einem Scherz. «Machst du mit? Du könntest Schmiere stehen.»
    «Zu schade», sagte Terry. «Aber ich muss noch zur Theaterprobe.» Sie wartete kurz. «Dann sehen wir uns also am 3. Januar wieder, um die neuen Radiospots zu besprechen?»
    «Ich kann es kaum erwarten.»
    «Super. Bis dann. Und guten Rutsch ins neue Jahr!» Terry
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