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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist
Autoren: Mary Higgins Clark
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gehört zu den Leuten im Medienbereich, die ausdrücklich für die Wiedereinführung der Todesstrafe in diesem Land eintreten.«

    Sein Ton wurde lebhafter, als er sich Steve zuwandte. »Fangen wir mit Ihnen an, Mr.
    Peterson. Nachdem Sie gesehen haben, wie emotional die Öffentlichkeit auf die Hinrichtungen reagiert hat, die bereits stattgefunden haben, glauben Sie noch immer, daß Ihr Standpunkt gerechtfertigt ist?«
    Steve beugte sich vor und antwortete ruhig: »Unbedingt.«
    Der Interviewer wandte sich seinem zweiten Gast zu. »Sharon Martin, was denken Sie?«
    Sharon drehte sich etwas zur Seite, um dem Fragesteller ins Gesicht zu blicken. Sie war todmüde. Im vergangenen Monat hatte sie zwanzig Stunden am Tag gearbeitet; sie hatte prominente Leute wie Senatoren, Kongreßabgeordnete, Richter und Menschenrechtler aufgesucht, in Schulen und Frauenvereinen gesprochen und die Leute aufgefordert, an die Gouverneurin von Connecticut zu schreiben und zu telegrafieren und gegen die Hinrichtung von Ronald Thompson zu protestieren. Sie war auf ein enormes, ja überwältigendes Echo gestoßen und so sicher gewesen, daß Gouverneur Greene das Urteil noch einmal prüfen würde. Nun suchte sie verzweifelt nach Worten. »Ich denke«, sagte sie, »ich glaube, daß wir, daß unser Land einen gewaltigen Schritt zurück ins Mittelalter gemacht hat.« Sie hob die Zeitungen auf, die neben ihr lagen. »Sehen Sie sich nur die Schlagzeilen von heute morgen an. Sehen Sie genau hin! Sie sind blutrünstig.« Rasch blätterte sie die Zeitungen durch. »Zum Beispiel diese hier: Connecticut testet elektrischen Stuhl. Und die hier: Neunzehnjähriger stirbt am Mittwoch. Und hier: Verurteilter Mörder beteuert Unschuld. Sie sind alle in der Art, sensationslüstern, brutal!« Sie biß sich auf die Lippe, da ihre Stimme versagte.
    Steve warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie hatten gerade erfahren, daß die Gouverneurin eine Pressekonferenz einberufen habe um bekanntzugeben, daß sie nicht gewillt sei, Thompson eine weitere Gnadenfrist zu gewähren. Die Nachricht hatte Sharon schwer getroffen. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn ihr nachher nicht übel würde. Sie hätten beide gar nicht erst zu dieser Sendung kommen sollen. Die Entscheidung der Gouverneurin machte Sharons Erscheinen sinnlos, und Steve selbst wünschte sich alles andere, als hier zu sein. Dennoch mußte er jetzt etwas sagen.
    »Ich glaube, jeder normal empfindende Mensch bedauert die Sensationsmache und die Tatsache, daß es eine Todesstrafe geben muß«, sagte er. »Aber wir sollten uns erinnern, daß diese Strafe stets nur nach erschöpfender Erwägung mildernder Umstände angewendet wurde.
    Ein zwingend vorgeschriebenes Todesurteil gibt es nicht.«
    »Sind Sie der Meinung, daß die besonderen Umstände im Falle Ronald Thompsons, die Tatsache, daß er den Mord nur wenige Tage nach seinem siebzehnten Geburtstag beging und daß somit das Erwachsenenstrafrecht kaum für ihn in Frage kommt - daß man dies hätte berücksichtigen sollen?« fragte Tom Brokaw rasch.
    »Wie Sie wissen«, antwortete Steve, »möchte ich mich speziell zum Fall Thompson nicht äußern. Das wäre völlig unangebracht.«
    »Ich verstehe Ihre Bedenken, Mr. Peterson«, sagte der Interviewer, »aber Sie haben in dieser Sache schon vor etlichen Jahren Stellung bezogen…« Er hielt kurz inne und fuhr dann leise fort: »Bevor Ronald Thompson Ihre Frau ermordete.«
    Steve war überrascht, wie sehr ihn diese Worte auch heute noch trafen. Nach zweieinhalb Jahren empfand er noch immer Entsetzen und ohnmächtigen Zorn, daß Nina auf diese Weise sterben mußte; daß ein Fremder einfach in ihr Haus eindrang und ihr Leben auslöschte, indem er sie erbarmungslos mit ihrem eigenen Schal erdrosselte.
    Er versuchte, das Bild aus seiner Erinnerung zu löschen, und blickte gerade vor sich hin.
    »Ich hatte einmal gehofft, daß es in unserem Land für immer bei der Aufhebung der Todesstrafe bleiben könnte. Aber wie Sie schon sagten, ich bin schon lange vor der Tragödie in meiner eigenen Familie zu dem Schluß gekommen, daß wir den Gewalttätern Einhalt gebieten müssen, wenn wir die fundamentalsten Rechte unserer Bürger - sich ohne Angst frei bewegen zu können sowie Freiheit und Sicherheit innerhalb der eigenen vier Wände - wahren wollen. Leider scheint es nur eine Möglichkeit zu geben, potentielle Mörder aufzuhalten, und das ist die Androhung derselben harten Strafe, die sie ihren Opfern zumessen. Und seit der ersten
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