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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geraden, blitzartigen Stoß, der jedem menschlichen Gegner das Genick gebrochen hätte. Der Schlag reichte immerhin, um den anderen zurüc k stolpern zu lassen. Er machte rasch zwei, drei weitere Schritte, schüttelte den Kopf, wie um die Benommenheit abz u streifen, und wechselte seine Waffe von der rechten in die linke Hand und beinahe noch schneller wieder zurück.
    Andrej ließ die Gelegenheit, ihm nachzusetzen und den Kampf auf diese Weise vielleicht vorzeitig zu beenden, ung e nutzt ve r streichen. Er wusste, es wäre ihm nicht gelungen. Er stand ke i nem menschlichen Feind gegenüber, sondern einem Wesen seiner Art, einem Vampyr, der mindestens so stark wie er war, wenn nicht stärker. Und um einiges schneller.
    »Wieso greifst du mich an?«, fragte er, während er sich mit dem Handrücken durchs Gesicht fuhr, um das Blut abzuw i schen. »Du weißt, wer ich bin. Ich bin nicht dein Feind!«
    Er bekam keine Antwort, und er hatte auch nicht damit g e rechnet. Der andere warf seine Waffe nur noch ein paarmal von e i ner Hand in die andere, und das so schnell, dass die Klinge zu einem silbernen Halbkreis zu werden schien, tänzelte einen weiteren Schritt zurück und schlug mit einer raschen Bewegung die Kapuze seines Mantels nach hinten. Andrej zog überrascht die Augenbrauen hoch. Das Gesicht, in das er blickte, war schmal und schwärzer als die Nacht, hatte auf ihn dieselbe ve r wirrende Wirkung, die auch Abu Duns Anblick auf fast alle hatte, die den riesenhaften Nubier zum ersten Mal sahen, denn trotz der dunklen Haut waren seine Züge europäisch. Andrejs Gegenüber war außerdem kahlköpfig und hatte nicht einmal Augenbrauen oder Wimpern, aber Andrej sah trotzdem, dass er einer Frau gegenüberstand.
    Was sie nicht ungefährlicher machte. Aber der Anblick war ungewöhnlich.
    In all den Jahrhunderten, die Abu Dun und er jetzt gemei n sam durch die Welt gezogen waren und nach anderen ihrer Art gesucht hatten, war er nur sehr wenigen Frauen begegnet. A n drej hatte nie herausgefunden (und auch nicht wirklich nach einer Antwort auf diese Frage gesucht), ob es eine Laune des Zufalls war oder es womöglich einen Grund dafür gab, dass der Fluch der Unsterblichkeit um so vieles häufiger Männer traf als Frauen. Doch wenn er es recht bedachte, dann waren die wen i gen Frauen, auf die sie jemals getroffen waren, stets die gefäh r licheren Gegner gewesen.
    Und das schien auf die Nubierin vor ihm auch zuzutreffen.
    Noch während Andrej dastand und mit seiner Verblüffung kämpfte, griff sie erneut an, wobei sie das Messer noch in der Bewegung blitzschnell zwei - oder dreimal von der Rechten in die Linke wechselte, um ihn zu verwirren - und um ein Haar hätte sie sogar Erfolg gehabt. Andrej wich der Klinge, die er in ihrer anderen Hand gemutmaßt hatte, mit einer beinahe ve r zweifelten Drehung des Oberkörpers aus. Der rasiermesse r scharfe Stahl hinterließ nur einen armlangen Schnitt in seiner Pelerine, statt in seinen Oberkörper zu schneiden, wie es die Absicht der Nubierin gewesen war Aber ihre andere Hand stieß mit solcher Wucht in sein Gesicht, dass er halb benommen z u rücktaumelte und nur deshalb nicht fiel, weil er mit dem R ü cken gegen die schmutzige Wand prallte. Dem nachgesetzten, blitzartigen Stich entging er nur durch pures Glück.
    Wenn schon nicht sein Verstand, so reagierten seine Instinkte blitzschnell. Die Nubierin war vermutlich nur wenig überrasc h ter als er selbst, als seine Handkante wie ein Beil auf ihren Arm hinunterfuhr und ihn brach.
    Falls sie überhaupt einen Schmerzenslaut ausstieß, so ging er in dem flatternden Geräusch unter, das ihr Mantel machte, als sie in einer fließenden Bewegung herum - und aus seiner Reichweite wirbelte. Mit der anderen Hand fing sie ihre Waffe auf, die ihren plötzlich kraftlosen Fingern entglitten war. Ebe n so instinktiv, wie er gerade zugeschlagen hatte, setzte Andrej ihr nach und erwischte sie immerhin mit einem Tritt gegen den Oberschenkel, der sie aus dem Gleichgewicht brachte und hal t los zur Seite taumeln ließ.
    Obwohl er es dieses Mal gekonnt hätte, verzichtete Andrej darauf, ihr nachzusetzen. Irgendetwas sagte ihm, dass er diese Frau nicht würde entwaffnen oder gar überwältigen können, sondern sie töten musste. Und das wollte er nicht.
    »Verdammt noch mal, hör auf!«, sagte er wütend. »Ich bin nicht dein Feind!«
    Aber sie war ganz offensichtlich der seine. Verletzt oder nicht, ihr Körper verwandelte sich in einen wirbelnden Scha t
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