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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diesmal verlor er wir k lich das Bewusstsein. Als die Orgie aus gleißendem Schmerz und alles hinwegfegender Angst hinter seiner Stirn verebbte, hockte die Nubierin nicht mehr auf seiner Brust, und auch das Messer war fort. Er fühlte sich schwach, als hätte ihm etwas all seine Kraft entzogen, und alles, was er sah, waren Schatten und verschwommene Umrisse und Schemen. Er wusste nicht, we l che davon entsetzlicher waren: die, die ihm seine außer Ko n trolle geratene Fantasie vorgaukelte, oder die, die er wirklich sah.
    »Ich habe gehört, dass dein großer Freund und du in der Stadt sein sollt«, fuhr die Stimme fort. Andrej wagte nicht, d a rüber nachzudenken, warum ihm die Stimme auf unheimliche Weise bekannt vorkam, aus Angst, dass die glühende Hand wiederkommen und sich erneut in sein Bewusstsein krallen würde.
    »Ich könnte dich töten«, fuhr die Stimme fort. Der Schatten kam näher und ließ sich neben ihm in die Hocke sinken. E i gentlich war die Gestalt nun nahe genug, dass er das Gesicht unter der Kapuze erkennen müsste, aber nach wie vor sah er nichts als Dunkelheit, als wäre da etwas, das verhinderte, dass er sein Gegenüber sah.
    »Ich könnte dich töten«, sagte die Stimme noch einmal. Eine schattenhafte Hand deutete auf die Kriegerin, die jetzt zwei Schritte hinter der Gestalt Aufstellung genommen hatte. »Sie könnte dich töten. Und vielleicht sollte ich es ihr gestatten. Aber ich werde dich verschonen, Andrej Delany , um unserer alten Freundschaft willen und nur dieses eine Mal. Aber höre auf mich. Nimm deinen großen Freund und geh zusammen mit ihm fort aus dieser Stadt, oder besser noch aus diesem Land. Große Dinge werden geschehen. Schlimme Dinge. Ich möchte nicht, dass du zu Schaden kommst.«
    Andrej wollte etwas sagen. Er wollte sich hochstemmen, um einen Blick auf das Dunkel unter der Kapuze zu erhaschen, doch eine schlanke dunkelhäutige Hand tauchte unter dem Umhang auf, berührte ihn beinahe sanft an der Stirn, und plöt z lich war der glühende Rechen wieder da - diesmal löschte er seine Gedanken endgültig aus.

Kapitel 2
     
    E s war sehr lange her; dass er das letzte Mal das Bewusstsein verloren hatte. So lange, dass er sich kaum noch daran erinnern konnte, wann.
    Auch wann er das letzte Mal in einer solch trostlosen U m gebung aufgewacht war - ganz gleich, ob nach einer Bewuss t losigkeit, einem Vollrausch oder einem normalen Schlaf-, wusste er nicht mehr.
    Behutsam setzte Andrej sich auf, aber offenbar nicht behu t sam genug. Hinter seiner Stirn erwachte ein stechender Schmerz, der sich wie eine dünne, rot glühende Nadel zwischen seine Augen bohrte. Ihm war schwindelig und übel, im Mund hatte er einen schlechten Geschmack. Es dauerte eine Weile, bis er sich eri n nerte. Einen ausgewachsenen Kater hatte er schon seit Jah r hunderten nicht mehr gehabt.
    Andrej fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die g e schlossenen Augen und führte einige einfache mentale Übu n gen durch, um seine Gedanken zu klären, bevor er sich zum zweiten Mal in seiner veränderten Umgebung umsah. An seiner ersten Einschätzung änderte sich nicht viel. Abu Dun und er waren weder anspruchsvoll noch besonders wählerisch, was ihre Unterkunft anging, aber er war selten zuvor in einem so l chen Loch aufgewacht. Der Raum hatte zwar ein Dach, glich aber sonst in vielem dem verdreckten Hof, in dem er auf Fred e ric und seine Kinderbande gestoßen war. Alles war schmutzig und nass. Es war so kalt, dass sein Atem als grauer Dampf vor seinem Gesicht erschien, und es stank nach Unrat und mensc h lichen Ausdünstungen. Er war nicht sicher, ob das, was er sah, die Reste eines einfachen Mobiliars oder einfach Müll war, den wegzuräumen sich niemand die Mühe gemacht hatte. Durch die Ritzen in den morschen Bretterwänden drang nicht nur eisige Luft herein, sondern auch das graue Licht der Morgendämm e rung, was bedeutete, dass er mindestens sieben oder acht Stu n den bewusstlos gewesen sein musste. Es roch nach Fisch und schmutzigem Wasser; und jetzt hörte er auch schwach Gerä u sche - Stimmen und geschäftigen Lärm -, die er jedoch nicht zuordnen konnte.
    Der Druck hinter seinen Augen hatte so weit nachgelassen, dass er ihn zu ignorieren vermochte, und auch Übelkeit und Schwindel waren fort. Der schlechte Geschmack im Mund war geblieben. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte: Er fühlte sich, als hätte er einen Katen Doch das war nicht mö g lich. Abu Dun und er konnten sich durchaus
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