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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust
Autoren: Laura Simon
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Brust ruhte sein Ankh-Amulett, das Zeichen des Lebens. Noch zwei, drei Jahre, dachte Merit, und er wäre so stattlich, dass sich jede Frau nach ihm verzehren würde. Aus den sorgfältig mit schwarzem Kohel umrahmten Augen blickte er sie selbstgefällig an. »Pass auf, du schießt dir selbst in den Fuß«, spottete er. »Du hältst den Bogen viel zu niedrig.«
    »Als ob ich das nicht wüsste!« Merit streckte ihm die Zunge heraus. Da rannte er auf sie zu. Sie wirbelte herum. Fast wäre sie gegen die Sklavin gestoßen, die sich hatte fortstehlen wollen. Nefertem schlang die Arme um Merit. Er ließ eine Hand auf ihre Pobacke klatschen und entwand ihr den Bogen.
    »Du Scheusal!« Sie wand sich in seinem Griff herum. »Sitankh wird dich hoffentlich so tüchtig ausschimpfen wie mich.«
    »Oho, die alte Sitankh, du machst mir wirklich Angst.« Er ließ sie los. Unvermittelt wurde sein Blickernst. »Ich wünschte wirklich, du könntest richtig Bogenschießen.«
    »Warum?«
    Er machte eine unbestimmte Handbewegung. »Ach, ich will dich nicht ängstigen, wir sind hier ja sicher. Niemand wird den Guten Gott Taharqa besiegen.«
    Doch sehr überzeugt schien er von seinen eigenen Worten nicht zu sein. Merit zögerte. »In den alten Schriften steht, dass Fremde vor tausend Jahren Ägypten eroberten. Sie kamen aus dem Nordosten, wie die Assyrer. Mehr als hundert Jahre soll ihre Herrschaft gedauert haben, bis Osiris Seqenenrê-Taa und seine Söhne sie vertrieben.«
    Nefertem krauste die Stirn. »Es hat schon seinen Grund, dass Vater es nicht mag, wenn du solche Schriften liest. Die ängstigen dich nur.«
    »Nein«, widersprach sie, obschon sie ihm recht geben musste. »Sie sagen mir, dass Ägypten immer siegreich bleiben wird. Deshalb lese ich sie. Und weil sie spannend sind. Und dies hier«, sie ergriff ihren kleinen Bogen und strich über das geschmeidige Holz. »Ich könnte nie so gut wie du damit umgehen. Eine Frau ist immer darauf angewiesen, dass ihr Mann sie schützt. Selbst eine Edelfrau, die den Bogen nur zu nutzen lernt, damit ihr Busen eine schöne Form behält.«
    »Und deshalb mach endlich deine Übungen.« Er deutete auf ihre entblößte Brust. »Die ist schlaffer geworden in letzter Zeit.«
    »Was?« Merit starrte an sich hinab. Ihre Brüste waren klein und rund und mit aufgerichteten Spitzen geziert. Gern hätte sie ein wenig vollere Brüste gehabt, aber wenn sie Sitankh glauben durfte, würde das noch kommen. »Das ist … du lügst ja!«
    Lachend begann er wieder seinen Bogen auf ihr tanzen zu lassen. Mit einem entrüsteten Aufschrei stieß sie ihn weg und rannte. Aber er blieb ihr auf den Fersen. Merit lief um Tani herum, stolperte über den Saum ihres Kleides und tänzelte am steinernen Rand des Gartenteiches entlang. Im Gras döste die dicke Kawit, die schnappte sie sich und warf sie dem Bruder entgegen. Die verdutzte Katze fuhr die Krallen aus. Fluchend löste Nefertem ihre Pfoten von seiner nackten Haut.
    »Dafür werfe ich dich in den Teich!«
    »Du meinst Kawit? Das arme Ding.« Merit kicherte. Sie wollte weiterlaufen. Er packte ihren Arm – und hielt inne.
    Ihr Vater stand am Rand des Gartens. Die Männer, die ihn aufgesucht hatten, waren bei ihm. Er blickte Merit und Nefertem ernst an. Mit einem Tuch wischte er sich über den glänzenden Schädel.
    »Meine Kinder. Ihr werdet nach Theben gehen. Schickt schnell eure Leibdiener, ein paar Sachen zu packen. Ihr müsst sofort abreisen.«
    »Nach Theben? So weit!«, platzte Merit heraus.
    »Schweig, Merit-Sobek.«
    Sie schluckte. So nannte er sie nur, wenn er streng klingen wollte. Nie sah er streng aus, das konnte er gar nicht, mit seinem vorgewölbten Kugelbauch, der das Gewand spannte. Die goldenen Reife saßen fest im Fleisch seiner Arme. Die Fältchen in den Winkeln seiner mit Kohel umrahmten Augen bewiesen, wie gern er lachte. Sie kannte keinen Menschen, der mehr Würde ausstrahlte. Merit traten die Tränen in die Augen, weil er so niedergeschlagen aussah.
    »Der Pharao ist mit seiner Familie und fast dem gesamten Hofstaat soeben abgereist. Mehr als hundertBarken hat man innerhalb einer Stunde beladen, sie alle befinden sich schon auf dem Weg nach Theben. Ich habe angeordnet, unsere Barke abfahrbereit zu machen. Zehn Schiffer und zehn Medjai zu eurem Schutz werden euch fortbringen. Es dämmert zwar bald, aber eine gute Wegstrecke werdet ihr noch schaffen, bevor die Nacht euch zum Anlegen zwingt. Ich bleibe. Einer muss ja bleiben.« Er unterbrach sich, um
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