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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit
Autoren: Gail Carriger
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durfte, war »exotisch«, aber niemals »liebreizend«. Alexia nahm an, dass Vampire, wie alle Raubtiere, am charmantesten waren, wenn man sie in die Ecke getrieben hatte.
    Die Hände des Vampirs schnellten vor und zielten auf ihren Hals. Offensichtlich hatte er beschlossen, dass, wenn er schon nicht ihr Blut saugen konnte, Strangulation eine annehmbare Alternative darstellte. Alexia fuhr zurück und bohrte der Kreatur dabei die Haarnadel etwa einen Zentimeter tief in das weiße Fleisch.
    Der Vampir reagierte mit einem verzweifelten Zappeln, das Alexia in ihren samtenen hochhackigen Tanzschuhen selbst ohne seine übernatürliche Stärke aus dem Gleichgewicht brachte. Sie stürzte rückwärts.
    Brüllend vor Schmerz sprang der Vampir auf, die Haarnadel in der Brust.
    Hektisch tastete Miss Tarabotti nach ihrem Sonnenschirm, während sie sich unelegant zwischen den Teeutensilien herumwälzte und hoffte, dass ihr neues Kleid die heruntergefallenen Speisen verfehlte. Sie fand den Schirm und sprang, den Parasol in weitem Bogen schwingend, auf die Füße. Durch bloßen Zufall traf die schwere Spitze das Ende ihrer hölzernen Haarnadel und trieb sie dem Vampir geradewegs ins Herz.
    Wie erstarrt blieb die Kreatur stehen, einen Ausdruck tiefster Überraschung auf dem gut aussehenden Gesicht. Dann fiel er rücklings auf das schwer in Mitleidenschaft gezogene Tablett mit Siruptorte, schlaff wie labbrig verkochter Spargel. Sein alabasterweißes Gesicht färbte sich gelblich grau, als leide er an der Gelbsucht, und er wurde reglos.
    Alexias Bücher nannten dieses Ende des Lebenszyklus eines Vampirs Deanimation . Alexia, die der Meinung war, dass der Vorgang erstaunlich dem In-sich-Zusammenfallen eines Soufflés ähnelte, beschloss in diesem Augenblick, es den Großen Kollaps zu nennen.
    Eigentlich hatte sie beabsichtigt, geradewegs aus der Bibliothek hinauszuschlendern, ohne dass jemand etwas von ihrer Anwesenheit dort bemerkte, auch wenn das bedeutete, ihre beste Haarnadel zurückzulassen und auf ihren wohlverdienten Tee sowie eine gehörige Portion Drama zu verzichten.
    Doch unglücklicherweise kam genau in diesem Augenblick eine kleine Gruppe junger Dandys hereingeschneit. Was derart gekleidete junge Männer in einer Bibliothek zu suchen hatten, darüber konnte sie nur Vermutungen anstellen. Alexia hielt es für die wahrscheinlichste Erklärung, dass sie sich auf der Suche nach dem Kartenspielzimmer verlaufen hatten.
    Dessen ungeachtet war sie durch deren Anwesenheit gezwungen, so zu tun, als habe sie den toten Vampir soeben selbst erst entdeckt. Also kreischte sie auf und fiel in Ohnmacht.
    Sie blieb hartnäckig ohnmächtig, trotz der großzügigen Verabreichung von Riechsalz, das ihr die Augen ganz fürchterlich tränen ließ, eines Krampfes in der Kniekehle und der Tatsache, dass ihr neues Ballkleid schrecklich zerknittert wurde. All die vielen Schichten grüner Posamenten, die sie, nach der neuesten Mode in heller werdenden Schattierungen, passend zum Kürass-Mieder ausgewählt hatte, wurden unter ihrem Gewicht zerdrückt. Es folgten die zu erwartenden Laute: eine ganze Menge Geschrei, viel hektisches Herumgerenne und gelegentliches lautes Klappern, während eines der Dienstmädchen die heruntergefallenen Teeutensilien beseitigte.
    Dann fegte eine Respekt einflößende Stimme sowohl die jungen Dandys als auch all die anderen interessierten Gäste, die hereingeströmt waren, nachdem man das sich dort bietende Schauspiel entdeckt hatte, aus der Bibliothek. Mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, kommandierte die Stimme jeden Anwesenden »Hinaus!« und kündigte an, dass ihr Besitzer »von der jungen Dame die Einzelheiten in Erfahrung bringen« würde.
    Stille breitete sich aus.
    »Jetzt hören Sie mir einmal gut zu! Ich werde etwas viel, viel Stärkeres als Riechsalz benutzen«, drang ein Knurren in Miss Tarabottis linkes Ohr. Die Stimme war tief, gefärbt mit einem Hauch von Schottland. Sie hätte Alexia einen eisigen Schauer über die Seele rinnen lassen, instinktiv Bilder des Vollmonds vor ihrem inneren Auge heraufbeschworen und den Wunsch geweckt, jetzt sofort irgendwoanders zu sein – hätte sie eine Seele gehabt. Stattdessen seufzte sie frustriert und setzte sich auf.
    »Ihnen ebenfalls einen guten Abend, Lord Maccon. Zauberhaftes Wetter haben wir für diese Jahreszeit, finden Sie nicht auch?« Sie betastete ihre Frisur, die ohne die Haarnadel drohte sich aufzulösen. Verstohlen sah sie sich nach Lord
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