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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
Autoren: Hermann Scherer
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ihren Entscheidungen, wenn sie nicht auf die Welt vertrauen? Sind sie Querdenker und Gegen-den-Strom-Schwimmer? Besteht die Kunst einfach darin, genau das Gegenteil von dem zu tun, was die anderen tun? Ist die Alleinstellung das Geheimnis des Erfolgs? Einfach alles anders machen?
    Quergedacht ist auch schon wieder gedacht. Um es anders zu machen als alle anderen, muss ich ja auch schon wieder wissen, wie es die anderen machen. Ob ich nun Benchmarking betreibe und dabei versuche, es genauso zu machen wie alle anderen, nur eben einen Tick besser, oder ob ich gegen den Strom schwimme, in jedem Falle betreibe ich Marktforschung. Nur findet Marktforschung immer im Zoo statt und nie im Dschungel. Das heißt, schon der Ansatz des Querdenkens impliziert, dass ich mir einen bestimmten Ausschnitt der Welt vornehme, in der Absicht, es anders zu machen als der Mainstream innerhalb dieses Ausschnitts.
    |219| Glückskindern ist es schlichtweg egal, was die anderen machen. Sie schauen gar nicht genau hin. Ob es nun ein Regelbruch ist oder nicht, durch Nachdenken kann man das ja später immer noch herausfinden. Im Moment der Entscheidung sind Glückkinder blind und taub, manchmal geradezu autistisch. Ihre Sinne sind für einen Moment ausschließlich nach innen gerichtet. Sie hören auf sich. Denn sie vertrauen nur auf sich.
    Sie lauschen auf den Impuls. Und wenn sie den spüren, ist die Entscheidung getroffen! So habe ich »Unternehmen Erfolg« gegründet. Das lief so, wie bei Glückskindern. Die Idee war schlicht: Ich will mit Worten Geld verdienen. Sowohl mit meinen eigenen Worten als auch mit den Worten anderer. Und es soll groß werden. Fertig. Mehr Idee war da nicht. Meine Frage an mich selbst, dem Einzigen, dem ich vertraue, war: Will ich? Mein Herz sagte: Ja. Der Impuls war da, und damit war die Entscheidung da.
    Hinterher habe ich dann durchaus nachgedacht. Und auch verstanden, was wir da eigentlich gemacht haben. Im Buch
Der Blaue Ozean als Strategie
von Reneé Mauborgne und anderen habe ich gelesen, dass die Regelbrecher immer so vorgehen, dass sie einige Dinge weglassen, die ansonsten Konvention sind. Genau das haben wir bei »Unternehmen Erfolg« gemacht. Aha. Interessant. Deshalb waren wir also erfolgreich gewesen. Das wurde mir aber erst hinterher klar. Zuerst bin ich nur einem Impuls nachgegangen.
    Also doch: dem Impuls nachgehen! Hatte ich vorhin nicht erst geschrieben, dass Chancenintelligenz bedeutet, Impulse zu kontrollieren, sich nicht den Trieben zu überlassen, den Marshmallow nicht zu essen?
    Der Impuls des Herzens ist der Wille. All das andere ist schlichtweg Angst. Zugegeben, das ist nicht leicht zu unterscheiden.
    Genau, Impuls ist nicht gleich Impuls, das ist der entscheidende Punkt. Wenn das Kind den Marshmallow isst, dann isst es ihn nicht deshalb, weil ihm sein Herz den Impuls gesendet hat, dass es auf den zweiten Marshmallow verzichten will. Sein Herz will den zweiten Marshmallow und ist hinterher enttäuscht, dass das Kind nicht |220| in der Lage war, den anderen, den »niederen« Impuls zu kontrollieren. Diesen Impuls, der alleine Gier war, oder anders gesagt: die Angst, zu kurz zu kommen. Der Impuls des Herzens ist der Wille. All das andere ist schlichtweg Angst. Zugegeben, das ist nicht leicht zu unterscheiden.
    Zum Beispiel die Angst, die Alternativen zu töten. Wenn ich aus den vorhandenen Möglichkeiten wähle, dann wähle ich alle anderen Möglichkeiten ab. Das heißt, ich werde sie nie verwirklichen. Ich stoppe den Prozess der Kreativität und schicke unendlich viele Möglichkeiten, vielleicht sogar die besten überhaupt, ins Nichts zurück. Ich habe beispielsweise die Möglichkeit, ein bedeutender Fotograf zu werden, abgewählt. Es sieht so aus, dass das eine Entscheidung für immer war. Schade.
    Pierre Bourdieu, Leiter des Lehrstuhls für Soziologie am Collége de France, einer der einflussreichsten französischen Sozialpolitiker Frankreichs, hat den Begriff »TINA-Prinzip« geprägt: Die ironische Bezeichnung beschreibt das immer wiederkehrende simple Muster, mit dem Entscheidungsträger in Familie, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ihre Entscheidungen begründen. TINA steht dabei für »There Is No Alternative« – eine rhetorische Floskel, die nicht nur bei der eisernen Lady Margaret Thatcher sehr beliebt war. Angela Merkel nennt das »alternativlos«. Ziel dieser Behauptung ist ganz einfach, die Diskussion zu unterbinden, Kritiker und Andersdenkende von vornherein den Wind aus den
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