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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
Autoren: Hermann Scherer
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in einer Längsschnittstudie heraus, dass die Kinder, die sofort gierig nach den Marshmallows gegriffen hatten, als junge Erwachsene wenig Selbstbeherrschung hatten. Diejenigen Kinder, die abgewartet hatten, um den zweiten Marshmallow einzuheimsen, konnten mehr Stress vertragen. Sie wurden als selbstbestimmter, vertrauenswürdiger, zuverlässiger und offener beschrieben. Sie hatten eine größere soziale Kompetenz. Und sie waren in Schule, Hochschule und Beruf erfolgreicher.
    Nicht gleich den Spatz in der Hand zu nehmen, sondern auf die Taube auf dem Dach zu warten, scheint eine Eigenschaft erfolgreicher Menschen zu sein. Zum Beispiel eine Eigenschaft von Joachim de Posada, einem Verkaufstrainer aus Puerto Rico, der geduldig auf »sein« Thema wartete. Als er von der Studie von Mischel hörte, wurde ihm klar, dass das seine Taube auf dem Dach war. Er schrieb flugs ein Buch mit dem Titel
Don’t eat the marshmallow yet
, fokussierte sich auf Vorträge zu diesem Buch und – schaffte seinen Durchbruch. Er verkaufte mittlerweile über zwei Millionen Bücher in mehr als 20 Sprachen.
    … auf diese Weise kann einer zum Marshmallow-Milliardär werden!
    Und stellen Sie sich vor, jemand hat eine derart gut ausgeprägte Fähigkeit, gute Gelegenheiten auszulassen, um auf die noch bessere zu warten, dass er aus den zwei Marshmallows vier macht. Dann acht, dann sechzehn … auf diese Weise kann einer zum Marshmallow-Milliardär werden! Und in der Tat zeichnen sich ausnahmslos alle extrem erfolgreichen |213| Menschen dadurch aus, dass sie sich mit wenig nicht zufrieden geben. Das ist so banal wie logisch. Denn wäre beispielsweise Oracle-Chef Larry Ellison damit zufrieden, die zweitlängste Motorjacht der Welt zu besitzen, wäre er vermutlich nicht einer der reichsten Menschen der Welt. Und wäre Dietmar Hopp damit zufrieden gewesen, einen Dorfverein zu sponsern, dann hätte er es mit seinen Mitstreitern nicht geschafft, das einzige deutsche Großunternehmen nach dem Krieg zu gründen und aufzubauen. Nein, aus dem Dorfverein musste ein Bundesligaverein werden!
    Auch ich selbst kann das bestätigen, allerdings hatte ich ja erst mal ein Handicap zu beseitigen. Als ich damals plötzlich mit der einen oder anderen Million Schulden dastand, wusste ich: Hermann, die nächsten Jahre brauchst du mit Marshmallows gar nicht erst anfangen! Ich habe alle günstigen Gelegenheiten, alle Abkürzungen und alle billigen Lösungen – also alle Spatzen in der Hand – einfach sausen lassen. Ich wusste ja, dass sie mir nicht helfen. Wer in einem Wettkampf in Rückstand liegt, kann nicht auf Halten spielen, sondern muss ein Risiko eingehen. Ich habe also gezwungenermaßen groß gedacht, weil klein zu denken, keinen Sinn machte. 100   000 Euro im Jahr zu verdienen, war für mich keine annehmbare Option, denn ich wollte die Schulden ja noch zu Lebzeiten loswerden. Und siehe da, es klappte. Auch mein kleiner Erfolg ist einer derjenigen, die Mischel Recht geben. Die Schulden nämlich sind heute weg.
    Auch mit umgekehrten Vorzeichen funktioniert diese Logik: Genauso wie es nichts bringt, sich mit wenig zufrieden zu geben, so sinnlos ist es auch, sich vielen kleinen, unwichtigen, ganz passablen, aber nicht umwerfenden Dingen zu beschäftigen, nur um das eine, große, wichtige, großartige Ding zu verpassen. Der Mangel an Marshmallow-Intelligenz führt zu Aufschieberitis, im Fachjargon Prokrastination genannt, es führt zum Anhäufen von Unwichtigem, zu unnötigen Kosten und aufgeblähten Bilanzen, zum Verzetteln, zu Schulden, zu Orientierungslosigkeit.
    Neulich beriet ich eine Trainerin, die Rednerin werden wollte. Ihr Problem: Sie hatte nichts auf der hohen Kante, ja sie hatte sogar Schulden. Das ist nicht schlimm, die Situation kannte ich ja. Ich flog |214| also zu ihr, um sie zu treffen. Treffpunkt war ein schickes Hotel. Ich dachte: Warum so ein Hotel? Das muss doch gar nicht … Aber sie meinte: Na, wenn wir uns schon treffen, dann muss es doch etwas Gescheites sein. Na gut. Als wir saßen, legte sie zwei Handys auf den Tisch. Wieso zwei? Das sind doch auch Kosten! Als wir anschließend rausgegangen sind, stieg sie in einen weißen Sportwagen. Wow. Schick. Aber eindeutig ein Marshmallow. Und natürlich hat die Frau auch eine tolle Stadtwohnung. Es ist so einfach: Sie wäre in einem Jahr schuldenfrei, wenn sie in ihrem Leben aufräumen würde. Einfach nur alles Unnötige weglassen. Die Badewanne würde sich füllen, weil plötzlich mehr Wasser
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