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Glücksgriff

Glücksgriff

Titel: Glücksgriff
Autoren: Jill Mansell
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verzweifelt.
    »Was?«
    Sie musste es jetzt einfach wissen, die Spannung brachte sie fast genauso um wie ihr Bedürfnis zu pinkeln.
    »Gib mir nur zwei Minuten, ja?«
    Vor der Tür schüttelte Bruce verblüfft den Kopf. Frauen und ihr Innenleben – es war ihm alles ein Rätsel.
    »Okay.«
    Draußen im Laden läutete die Glocke über der Tür und kündigte einen Kunden an. Erleichtert hörte Chloe, wie die Schritte ihres Chefs sich entfernten. Sie konnte wirklich nicht auf einen Streifen pinkeln, während Bruce nur Zentimeter entfernt auf der anderen Seite der Toilettentür herumlungerte.
    Der entscheidende Urinstrahl war nun pflichtbewusst geflossen. Chloe schloss die Augen und begann zu zählen.
    Als sie die Augen wieder aufmachte, war das Ende des Streifens blau.
    »O nein«, flüsterte Chloe, und die Worte wurden fast vom Hämmern ihres Herzens übertönt. Sie zog ihren Angorapulli hoch und spähte hinunter auf ihren Bauch, dann sagte sie unsicher: »Hallo du.«
     
    Draußen im Laden wickelte Bruce den Einkauf seines Kunden ein, eine wahnwitzig teure weiße italienische Vase. Als Chloe schließlich ganz blass wieder auftauchte, sagte er: »Bevor ich es vergesse … heute Abend ist eine Veranstaltung im Golfclub. Verity und ich wollten für ein, zwei Stunden hin, doch der verdammte Babysitter hat uns versetzt. Kannst du uns vielleicht aushelfen?«
    Chloe hatte schon früher ausgeholfen und ließ sich keine Sekunde von seinem jovialen Ton täuschen. Wie bei Katzenjahren bedeutete eine Stunde bei Bruce im Allgemeinen sieben oder acht.
    »Bruce, tut mir Leid. Ich kann nicht.«
    Aus der Fassung gebracht war nicht das richtige Wort.
    »Aber du hast doch gesagt, du hättest heute Abend nichts vor.« Er klang anklagend.
    Sei tapfer, bleib standhaft, lass ihn dich nicht überreden.
    »Das war heute Morgen.« Chloe sprach so fest, wie sie sich eben traute. »Jetzt habe ich etwas vor. Es hat sich etwas ergeben.«

2
    Florence Curtis hatte ein aktives Leben geführt; sie hatte immer für den Tag gelebt und so viel wie menschenmöglich in jeden einzelnen gequetscht. Sie hatte mit zwanzig geheiratet, war mit fünfundzwanzig Mutter geworden und mit siebenundzwanzig geschieden gewesen; dann hatte sie wieder geheiratet, war Witwe geworden und mit dreiunddreißig eine dritte Ehe eingegangen. Herr im Himmel, heutzutage wurde ihr schwindlig, wenn sie an jene hektischen Jahre dachte, als sie ihren verschiedenen Ehemännern um die Welt gefolgt war und dabei immer neue Haushalte, Personal und die Bedürfnisse eines geliebten, aber unglaublich anspruchsvollen Sohnes unter einen Hut zu bringen hatte.
    Dann war ihr geliebter Ray, Nummer drei, auf den Stufen des Casinos von Monte Carlo tot zusammengebrochen, und Florence hatte beschlossen, mit der Ehe Schluss zu machen. Zweimal verwitwet reichte; der Schmerz war fast unerträglich. Von nun an würde sie sich an Liebhaber halten. Abgesehen von allem anderen war sie, wie sie ihren Freundinnen schlagfertig mitteilte – denn Bedauern war Florence zuwider – es leid, immer wieder ihren Familiennamen auf ihrem Scheckbuch zu ändern.
    Die nächsten zwanzig Jahre hatte sie in rastloser Suche nach Spaß verbracht, und Florence hatte jede Minute genossen. Ihr Motto war immer gewesen: »Du wirst lange tot sein«, und bis sich die ersten Anzeichen von Steifheit in ihre Gelenke geschlichen hatten, war es ihr nie in den Sinn gekommen, dass es besser hätte heißen müssen: »Du wirst lange ein Arthritiskrüppel sein.«
    Es war schwer, sich mit einem Leben im Rollstuhl abzufinden, wenn das Hirn einem vorgaukelte, dass man immer noch so aktiv sei wie früher. Ab und zu träumte Florence, dass sie die ganze Nacht im Café Royal getanzt habe. Wenn sie heiter und in der Stimmung weiterzumachen aufwachte, dachte sie: »Genau das werde ich heute tun, irgendwohin gehen, wo es ein bisschen lustig ist, und tanzen …«
    Bis sie versuchte, sich im Bett umzudrehen, und dann vor Schmerzen aufstöhnte. Im Moment hatte sie Glück, wenn sie es bis in die Küche schaffte, bevor sie zusammenbrach.
    Im letzten Jahr hatte Florence’ wohlmeinender Hausarzt vorgeschlagen, zum Rollstuhltanzen zu gehen. Offenbar fielen jeden Donnerstagabend ganze Busladungen von behinderten Rentnern im Tanzsaal der Kirche von St. Augustine ein und amüsierten sich königlich damit, ihre Partner herumzuschwingen.
    »Was, in ihren Rollstühlen?« Florence hatte vor Lachen gebrüllt. »Tut mir Leid, mein Lieber, das ist nicht meine Szene.
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