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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall
Autoren: Marian Keyes
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sich auf seinem Gesicht.
    »Bestens.« Ich konnte jetzt nicht davon anfangen.
    Er umfasste mein Handgelenk. »Bleib doch noch ein biss chen.« Und leise fügte er hinzu: »Ich sage Vonnie, sie soll gehen. Und die Kinder müssen irgendwann ins Bett.«
    Aber das konnte noch Stunden dauern. Artie und ich gingen nie vor den Kindern ins Bett. Natürlich war ich morgens oft da, sodass es offenkundig war, dass ich die Nacht dort verbracht hatte, aber wir alle taten so, als würde ich in einem imaginären Gästebett schlafen und Artie hätte allein in seinem Bett gelegen. Obwohl ich Arties Geliebte war, gaben wir vor, ich wäre einfach nur eine Freundin der Familie.
    »Ich muss gehen.« Ich hielt es nicht länger aus, draußen rumzusitzen und darauf zu warten, dass ich mit Artie allein sein und ihm die Klamotten von seinem schönen Körper reißen konnte. Eher würde ich platzen.
    Aber erst das Abschiednehmen. Das dauerte ungefähr zwanzig Minuten. Ich halte nicht viel von langen Abschieds reden; ginge es nach mir, würde ich leise murmeln »Ich muss mal«, und mich dann einfach aus dem Staub machen.
    Sich zu verabschieden finde ich geradezu unerträglich langweilig. In meinem Kopf bin ich schon längst weg, sodass mir das ganze »Mach’s gut« und »Bis dann« und dazu das ewige Lächeln wie reine Zeitverschwendung vorkommt. Manchmal möchte ich die Menschen von mir abschütteln, mir ihre Hände von der Schulter reißen und davonstürzen, in die Freiheit. Aber bei den Devlins war es immer eine große Sache – Umarmungen, Küsse auf beide Wangen –, selbst Bruno machte dabei mit, offensichtlich konnte er seine bürgerliche Erziehung nicht ganz abschütteln. Dann vierfache Küsse von Bella, auf beide Wangen, Stirn und Kinn, und der Vorschlag, dass ich bald einmal bei ihr übernachten solle.
    »Ich leihe dir auch meinen Schlafanzug, den mit den Erd beertörtchen drauf«, versprach sie mir.
    »Du bist neun«, sagte Bruno oberhochnäsig. »Und sie ist alt. Wie soll ihr dein Schlafanzug denn passen?«
    »Wir sind gleich groß«, sagte Bella.
    Und so komisch es auch war, es stimmte beinah. Ich war für mein Alter klein und Bella für ihres ziemlich groß. Sie waren alle groß, die Devlin-Kinder, das hatten sie von Artie.
    »Meinst du wirklich, du solltest jetzt allein sein?«, fragte Artie mich auf dem Weg zur Haustür. »Dein Tag war doch ziemlich schlimm.«
    »Ja, ja, mir geht es prächtig.«
    Er nahm meine Hand und rieb die Handfläche über seine Brustmuskeln unter dem T-Shirt, dann tiefer, über seinen Bauch.
    »Aufhören.« Ich zog meine Hand zurück. »Besser nichts anfangen, was wir nicht zu Ende bringen können.«
    »Ist gut. Aber lass mich das hier entfernen, bevor du gehst.«
    »Artie, ich meinte …«
    Zärtlich löste er das Maya-Stirnband, das Bella mir umgebunden hatte, schwenkte es durch die Luft und ließ es auf den Boden fallen.
    »Oh«, sagte ich. Und dann wieder »oh«, als er mit der Hand über meinen Haaransatz strich und anfing, die beiden Zöpfe zu öffnen. Ich schloss die Augen und erlaubte seinen Händen, in meinen Haaren zu wühlen. Mit seinen Daumen massierte er mir die Schläfen, dann meine Stirn und die steilen Falten zwischen den Augenbrauen, dann die Stelle, wo mein Hinterkopf in den Nacken überging. Langsam entspannte sich mein Gesicht, meine Kiefer lockerten sich, und als er aufhörte, war ich in einem so seligen Zustand, dass eine weniger standfeste Frau umgefallen wäre.
    Ich schaffte es, stehen zu bleiben. »Habe ich auf dich draufgesabbert?«, fragte ich.
    »Diesmal nicht.«
    »Gut. Ich gehe jetzt.«
    Er beugte sich zu mir hinunter und küsste mich, und sein Kuss war zurückhaltender, als ich es mir gewünscht hatte, aber es war besser, kein Feuer zu entfachen.
    Ich ließ meine Hand zu seinem Hinterkopf gleiten. Ich fuhr gern mit den Fingern durch sein Nackenhaar und zupfte daran, nicht so, dass es wehtat. Nicht richtig weh.
    Als wir uns losließen, sagte ich: »Ich mag dein Haar.«
    »Vonnie sagt, es muss geschnitten werden.«
    »Ich sage, muss es nicht. Und ich treffe hier die Entscheidungen.«
    »Gut«, sagte er. »Versuch ein bisschen zu schlafen. Ich ruf dich später an.«
    In den letzten Wochen hatten wir ein – ja, ich denke schon, man kann es Ritual nennen – entwickelt, wobei wir uns kurz anriefen, bevor wir einschliefen.
    »Und was deine Frage angeht«, sagte er, »so lautet die Antwort Ja.«
    »Welche Frage?«
    »Ob die Maya das Magnum erfunden haben.«

3
    K aum saß ich im
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