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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall
Autoren: Marian Keyes
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Baldrian-Eistee. Ich wusste nicht, was dir lieber ist, deshalb habe ich beides gebracht.«
    Eine Sekunde lang liebäugelte ich mit dem Wein, dann entschied ich mich dagegen. Ich befürchtete, ich könnte nicht mehr aufhören, wenn ich erst einmal angefangen hatte, und ein grauenvoller Kater war mehr, als ich ertragen konnte.
    »Keinen Wein, danke.«
    Ich wappnete mich innerlich gegen den Ausbruch der Proteste, der gewöhnlich auf so eine Aussage folgte: »Was? Keinen Wein! Hat sie wirklich gesagt, keinen Wein? Was ist in sie gefahren?« – Ich rechnete fest damit, dass die Devlins mich zu Boden ringen und in den Schwitzkasten nehmen und mir das Glas Shiraz durch einen Trichter einflößen würden, aber niemand sagte etwas. Einen Moment lang hatte ich vergessen, dass ich nicht bei meiner eigenen Familie war.
    »Oder lieber eine Cola light?«, fragte Iona.
    Meine Güte, die Devlins waren die perfekten Gastgeber, selbst ein exzentrisches Mädchen wie Iona. Sie hatten immer Cola light für mich im Kühlschrank, von ihnen trank das niemand.
    »Nein danke, so ist es gut.«
    Ich nahm einen Schluck von dem Baldriantee – nicht unangenehm, aber auch nicht besonders angenehm – und ließ mich auf einem der dicken Bodenkissen nieder. Bella kniete sich neben mich und fing an, mir den Kopf zu streicheln. »Du hast so schöne Haare«, murmelte sie.
    »Danke.«
    Allerdings war sie der Auffassung, dass alles an mir schön war, auf ihre Wahrnehmung war nicht unbedingt Verlass.
    Mit ihren kleinen Fingern fuhr sie durch mein Haar und trennte es in Strähnen, nach und nach entspannten sich meine Schultern, und zum ersten Mal seit ungefähr zehn Tagen konnte ich richtig atmen. Meine Lungen füllten sich mit Luft, die dann wieder ausströmte. »O Gott, tut das gut.«
    »War es ein harter Tag?«, fragte sie teilnahmsvoll.
    »Du machst dir keine Vorstellung, meine kleine rosa Amiga.«
    »Erzähl’s mir.«
    Ich wollte schon mit der ganzen traurigen Geschichte loslegen, doch da fiel mir ein, dass sie erst neun war.
    »Na ja«, sagte ich und gab mir Mühe, dem Ganzen einen fröhlichen Klang zu geben. »Ich konnte meine Rechnungen nicht bezahlen, und deshalb musste ich aus meiner Wohnung ausziehen …«
    »Was?« Artie war fassungslos. »Wann denn?«
    »Heute. Aber es ist in Ordnung.« Ich sprach mehr zu Bella als zu ihm.
    »Aber warum hast du mir nichts gesagt?«
    Ja, warum eigentlich nicht? Zwar hatte ich, als ich ihm vor sechs Wochen den Schlüssel gegeben hatte, so etwas angedeutet, aber ich hatte es wie einen Witz klingen lassen. Schließlich war das ganze Land mit Hypothekenrückzahlungen im Rückstand und bis zum Anschlag verschuldet. Aber letztes Wochenende hatte er die Kinder bei sich gehabt, dann war er die ganze Woche weg gewesen, und mir fiel es schwer, schwierige Dinge am Telefon zu besprechen. Ehrlich gesagt hatte ich mit niemandem darüber gesprochen.
    Als mir gestern Morgen klar wurde, dass ich am Ende war – und zwar schon längst, aber ich hatte bis zuletzt die Hoffnung, dass irgendetwas geschehen würde und es doch noch weiterginge –, hatte ich für heute die beiden Packer bestellt. Wahrscheinlich hatte ich aus Scham nichts gesagt. Oder vor lauter Traurigkeit? Oder aus Schock? Schwer, es genau zu sagen.
    »Und was machst du jetzt?« Bella klang erschüttert.
    »Ich bin wieder zu meinen Eltern gezogen, nur für eine Weile. Sie haben zurzeit eine Phase, wo sie sich sehr alt fühlen, deswegen gibt es bei ihnen nichts Richtiges zu essen, aber das geht sicherlich vorüber …«
    »Warum wohnst du nicht bei uns?«, fragte Bella.
    Sofort stieg Zornesröte in Brunos pfirsichzartes Gesicht. Im Normalzustand war er so zornig, dass man denken würde, er müsste von Pickeln geradezu übersät sein, sozusagen als äußere Manifestation, aber nein, seine Haut war weich, glatt, zart.
    »Weil dein Dad und ich uns erst seit Kurzem kennen …«
    »Seit fünf Monaten, drei Wochen und sechs Tagen«, sagte Bella. »Das sind fast sechs Monate. Das ist ein halbes Jahr.«
    Ich sah besorgt in ihr eifriges kleines Gesicht.
    »Und ihr passt gut zusammen«, sagte sie mit Begeisterung. »Das sagt Mum. Stimmt doch, Mum, oder?«
    »Das stimmt in der Tat«, sagte Vonnie mit einem kleinen ironischen Lächeln.
    »Ich kann nicht hier einziehen.« Ich gab mir Mühe, fröh lich zu klingen. »Bruno würde mich in der Nacht erdolchen.« Und dann mein Make-up stehlen.
    Bella war entsetzt. »Nein, das würde er nicht tun.«
    »Doch«, sagte
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