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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall
Autoren: Marian Keyes
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trotzdem wie ein Misstrauensvotum anfühlen. Oder angenommen, ich zog bei ihm ein, und dann merkten wir, dass es keine gute Idee war. Gab es aus einer solchen Situation überhaupt ein Zurück?
    Ich seufzte schwer. Ich wollte, ich hätte meine Wohnung nicht verloren. Ich wollte, dass Artie zu mir in meine Wohnung kommen konnte, wann immer mir danach war. Aber diese Möglichkeit gab es jetzt nicht mehr, würde es nie mehr geben. Auf gar keinen Fall würden er und ich zusammen bei Mum und Dad sein – womöglich miteinander schlafen, während sie in ihrem Zimmer gegenüber waren! Das wäre zu schrecklich! Das würde nicht funktionieren. Dass es solche Veränderungen überhaupt geben musste. Ich hasste es, wie sie alles auf den Kopf stellten.
    Ein mir unbekannter eleganter, niedriger Sportwagen stand vor dem Haus von Mum und Dad, und ein Mann lauerte im Schatten. Es hätte ein durchgeknallter Vergewaltiger sein können, aber als ich ausstieg, war es keine große Überraschung (aber dennoch eine von der unangenehmen Sorte), dass sich der Mann, als er ans Licht trat, als Jay Parker herausstellte. Ich hatte ihn fast ein Jahr lang nicht gesehen – nicht, dass ich nachgerechnet hätte –, und er war völlig unverändert. Mit seinem schmal geschnittenen Hipster-Anzug, seinen dunklen, tänzelnden Augen und seinem beflissenen Lächeln sah er genau aus wie das, was er war: ein Hochstapler.
    »Ich habe angerufen«, sagte er. »Gehst du nie dran?«
    Ich verlangsamte meine Schritte nicht. »Was willst du?«
    »Ich brauche deine Hilfe.«
    »Die bekommst du nicht.«
    »Ich bezahle dafür.«
    »Ich bin viel zu teuer für dich.« Ich hatte nämlich auf der Stelle eine sehr teure Sonderrate für Jay Parker erfunden.
    »Stell dir vor, du bist mir nicht zu teuer. Ich kenne deine Sätze. Ich gebe dir das Doppelte. Im Voraus. Bar auf die Hand.« Er zog ein dickes Bündel Banknoten hervor. So dick, dass ich stehen blieb.
    Ich blickte auf das Geld, ich sah Jay Parker an. Ich wollte nicht für ihn arbeiten. Ich wollte nichts mit ihm zu tun haben.
    Aber es war sehr viel Geld.
    Benzin im Tank, Telefonguthaben aufgestockt, ein Besuch beim Arzt.
    Misstrauisch fragte ich ihn: »Worum geht es?«
    Mit Sicherheit war es etwas Heikles.
    »Ich möchte, dass du jemanden für mich findest.«
    »Wen?«
    Er zögerte. »Das ist vertraulich.«
    Ich sah ihm in die Augen. Wie sollte ich jemanden finden, dessen Identität so vertraulich war, dass ich sie nicht erfahren durfte?
    »… Ich meine, es ist eine heikle Sache …« Mit der Spitze seines spitzen Schuhs schob er ein paar Kieselsteine umher. »Die Presse darf nichts davon erfahren.«
    »Wer ist es?« Jetzt war ich wirklich neugierig.
    Seine Miene war besorgt.
    »Wer?«, fragte ich noch einmal.
    Plötzlich kickte er einen der Kieselsteine, der darauf in einem hohen eleganten Bogen durch die Luft flog. »Ach, Scheiß drauf, ich kann’s dir ruhig sagen. Wayne Diffney.«
    Wayne Diffney! Von dem hatte ich gehört. Ich wusste sogar eine ganze Menge über ihn. Vor sehr langer Zeit, wahr scheinlich Mitte der Neunzigerjahre, war er bei den Laddz gewesen. Damals waren die Laddz eine der beliebtesten irischen Boygroups. Nicht ganz dieselbe Liga wie Boyzone oder Westlife, aber trotzdem ein riesiger Erfolg. Ihre ruhmreichen Tage lagen weit zurück, versteht sich, und jetzt waren sie so alt und untalentiert und lachhaft, dass sie, nachdem sie völlig untergegangen waren, auf der anderen Seite wieder hochkamen, denn viele Menschen dachten mit großer Zuneigung an sie. Die Gruppe war eine Art Nationalschatz geworden.
    »Du weißt es bestimmt schon, die Laddz treten nächste Woche in drei megagroßen Comeback-Konzerten auf. Mittwoch, Donnerstag, Freitag.«
    Ein Laddz-Comeback! Nein, davon hatte ich nichts gewusst – ich hatte ja ein paar andere Sorgen im Kopf –, aber plötzlich wurde mir das eine oder andere klar: alle paar Sekunden ihre Lieder im Radio, und meine Mutter, die mich überreden wollte, mit ihr in das Konzert zu gehen.
    »Hundert Euro pro Karte, Merchandising-Produkte an den Ausgängen«, sagte Jay wehmütig. »Quasi die Lizenz zum Gelddrucken.«
    Alles sehr typisch für Jay Parker, schmuddeliger kleiner Abzocker, der er war.
    »Und?«, hakte ich nach.
    »Ich bin ihr Manager. Aber Wayne wollte – will – nicht mitmachen. Er …« Jay brach ab.
    »… schämt sich?«
    »… ziert sich.«
    Er ziert sich. Das konnte ich mir vorstellen. Bei den Laddz gibt es, wie in allen Boygroups, fünf Typen: Der
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