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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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wird schon. Wir haben es nicht eilig.« Sie küsste ihn. »Wir haben alle Zeit der Welt«, versprach sie ihm.
    *
    Als er zum dritten Mal von ihren Klagelauten geweckt wurde, drang Licht unter den Rändern der Schlafzimmerrollos herein. Er sah auf die Uhr. Jetzt im Juni wurde es schon so früh Tag, es war erst kurz nach halb sechs. Sie hatte nun zum dritten Mal in acht Stunden ins Bett gemacht. Er blickte aufs Bett. Sie rutschte unruhig umher. Die Decken hatte sie größtenteils abgestreift, und im Licht des Sommermorgens sah er sofort das breiige grünlich braune Zeug, das durch ihren Slip drang und an ihren Beinen klebte.
    »Nein!«, protestierte er laut, als ob ihn der Urheber des Ganzen hören könnte. »Das geht doch gar nicht mehr«, sagte er und meinte beides: dass eigentlich nichts mehr in ihrem Darm sein konnte und dass ihr Körper angesichts der massiven Sedierung gar nicht mehr in der Lage sein konnte, sich zu bewegen. So unangenehm der Geruch und das Gefühl auch sein mochten, sie sollte eigentlich nichts mehr wahrnehmen können. »Das ist unmöglich«, rief er aus.
    Margaret reagierte. Sie schob sich ganz an die Wand und schaffte es, sich aufzusetzen. Und seltsamer noch: Ihre Augen waren offen, und sie streckte die Hand nach ihm aus. Über diesen unwahrscheinlichen Schub von Energie erschrak er. Träume ich?, fragte er sich. »Margaret?«, sagte er. Er setzte sich nicht aufs Bett. Ihr Durchfall war fast schon flüssig, und bestürzt bemerkte er, dass die Laken und die Baumwolldecke schmutzig waren. Es war keine Decke mehr da und nur noch ein Satz saubere Laken. Er würde Rebecca weckenmüssen, damit sie ihm half. Nein, das kann kein Traum sein, sagte er sich. Diese Gedanken sind zu banal, um nicht real zu sein.
    Margarets Augen waren merkwürdig. Gegenstände schien sie wahrzunehmen, aber auf ihn konnte sie ihren Blick offenbar nicht fokussieren, obwohl er eigentlich genau in ihrer Blickrichtung stand. Sie gab ein Geräusch von sich. Er erschrak. Es war mehr ein Grunzen als ein Wort, aber von der Intonation her klang es wie eine Frage oder eine Forderung. Sie rang darum, etwas zu sagen.
    »Was?«, fragte er dümmlich.
    Sie hob die rechte Hand, ohne den Blick von einem fixen Punkt irgendwo vor sich zu lösen. Sie schien etwas zu sehen. Sie starrte weiter in die mittlere Entfernung und berührte ihre Lippen. »Trie«, sagte sie, und er wusste, sie meinte »Trinken«.
    »Du möchtest Wasser. Okay.« Er goss Wasser aus der Flasche in einen Plastikbecher und setzte ihr diesen an den Mund. Ihre Lippen waren trocken und rissig. Sie schlürfte gierig und schluckte schwer. »Nnhh«, sagte sie, und es klang dankbar. Dann sank sie zur Seite und hatte es so eilig weiterzuschlafen, dass sie Wange und Schläfe in einen der Durchfallflecken legte.
    »Oh, Mugs«, sagte er mitleidig. Er hob sie behutsam an den Schultern an, um ihren Kopf auf ein sauberes Stück Laken zu betten. Sie protestierte knurrend, kam aber sofort zur Ruhe, als er sie verlagert hatte.
    Er brachte rasch den Beutel mit der dreckigen Bettwäsche nach unten und klopfte an Rebeccas Tür. Sie erschien halb schlafend, aber angezogen, und er erklärte ihr so schnell wie möglich, was los war, und bat sie, die beiden Laken in die Waschmaschine zu stecken.
    Er angelte das letzte Laken vom Schrankbord und ging wieder nach oben. Diesmal war der Durchfall so flüssig, dasser auf die Matratzenauflage durchgesuppt war. Gerade als er das entdeckte, kam Rebecca herein. Er dachte verzweifelt nach, ob sie irgendwo noch eine Matratzenauflage hatten. Als seine Schwester sah, was Sache war, blieb sie abrupt stehen und sagte: »Oh.«
    »Klappt was mit der Maschine nicht?«, sagte er. Sie schüttelte den Kopf. »Die Matratzenauflage ist dreckig«, sagte er. »Bleib kurz hier, ich schaue, ob noch irgendwo eine ist.« Er fand eine Auflage im Schrank in der Nähe der Laken. Während ihrer Remission hatte Margaret sämtliche Schränke aufgeräumt, etliches, was sich im Lauf ihres Familienlebens angesammelt hatte, weggeworfen, Erinnerungsstücke aufbewahrt und die Fotoalben aktualisiert. Er hatte damals vermutet, dass sie sich einerseits ihr Leben vergegenwärtigen wollte, um sich vor Augen zu führen, wofür es weiterzuleben galt, andererseits aber alles geordnet hinterlassen wollte, falls sich herausstellen sollte, dass sie am Ende ihrer Reise angelangt war. Sie hatte ihrem Tod ins Auge geblickt. Warum konnte er das nicht?
    Mit Rebeccas Hilfe ging es dann schnell, und bald
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