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Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein
Autoren: Sylvia Halcour
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»Es ist schon drei Uhr und du hast in zwei Wochen deine mündliche Prüfung, oder?«
    Bedrückt nickte er. Ja, ja, die Prüfungen. Und er wusste, nur wenige würden jemanden, den sie für sich gewinnen wollten, nach Hause schicken.
    »Wie lange willst du denn noch bleiben?«, fragte er und ein Funken Hoffnung kehrte in seine Augen zurück.
    Ich machte eine abtuende Handbewegung. Tatsächlich gab es an der Uni keine Zeit, zu der man morgens da sein musste. Man schrieb die Arbeit für sich selbst. So war man es auch selbst schuld, wenn man versagte.
    Pauls Augen waren wieder trübe geworden. Bis zuletzt musste er gehofft haben, wir gingen zusammen.
    »Dann geh ich jetzt mal«, sagte Paul, doch er zögerte. Angestrengt schaute er zu Boden, ich konnte ihn denken hören. Ruckartig riss er seinen Kopf wie ein Pferd hoch und sagte: »Du hast bei mir Hoffnungen geweckt!«
    Er ignorierte mein erstauntes Gesicht und fügte hinzu: »Ich bin jetzt seit drei Jahren Single und wir trinken hier Bier und Sekt...«
    Hilfesuchend blickte ich zur Seite. Christian kehrte gerade zu uns zurück.
    »Ne, was ist denn mit euch beiden los?«, fragte er ahnungslos. »Warum guckt ihr denn so?«
    Er schaute zu Paul, dann zu mir, dann wieder zu Paul und schien zu begreifen. »Ne, Paul, ne, das ist doch nicht dein Ernst?«, grölte er und lachte, so dass der Sekt über den Rand seines Glases schwappte. Verlegen wischte Paul mit seinen Augen den Boden.
    »Du, Paul, es tut mir leid«, sagte ich, als wir uns zum Abschied flüchtig und fremd umarmten, aber meine Worte bewahrten mich nicht vor einem Blick in seine maßlos enttäuschten Augen.
    Betreten strich ich meine Haare zurück. Ich hätte mehr Abstand wahren müssen.
    Wo ist Sascha?
    Ich entdeckte ihn an der Bar, wir sahen uns wieder kurz an, ich lächelte zart, doch sein Blick blieb nicht bei mir, sondern wanderte sogleich weiter. Ich fixierte ihn, wollte mit ihm in Kontakt treten, ihm zulächeln, die Sache mit Paul vergessen, aber er schaute nicht mehr zurück.
    Enttäuscht sah ich zu Boden, der klebrig und verdreckt war. Eine Strähne fiel mir ins Gesicht und ich bemerkte, mein Haar hatte seinen Duft verloren. Es roch nach Rauch, wie ein Aschenbecher. Warum sah er mich nicht?
    Christian stand wieder neben mir. »Bist du öfter hier?«
    Gerade wollte ich »Nein« sagen, da sprudelte er los: Er sei das erste Mal hier, die Musik ja sei ganz gut, aber die Leute seien, ich solle mir nur einmal die Kleidung anschauen, einfach armselig.
    Ich warf ihm einen kühlen Blick zu und schaute wieder nach Sascha. Eine Gruppe Frauen sammelte sich gerade um ihn. Er hatte schöne Augen und ein strahlendes Lächeln. Wie konnte ich diesen Mann nur abweisen?
    Sascha, lass uns doch zusammen nach Hause gehen, hätte ich am liebsten gesagt. Es muss ja nichts laufen, wir können einfach zusammen einschlafen. Ein bisschen Einsamkeit teilen.
    Ich leerte mein Glas, um den Hunger zu betäuben. Seit Mittag hatte ich nichts mehr gegessen. Genutzt hatte es nichts. Für Sascha war ich trotzdem unsichtbar.
    Auf einmal drangen Christians Worte zu meinem Ohr durch und ich hatte eine Idee.
    Christian schien den fremdartigen Ausdruck in meinen Augen nicht zu bemerken und wunderte sich auch nicht, dass ich ihm auf einmal voller Interesse zuhörte und viel von mir erzählte. Die Köpfe beieinander, die Blicke beschwingt, waren wir in ein Gespräch vertieft und lachten häufig laut auf. Wir mussten einfach den Eindruck erwecken, wir würden uns mögen. Heimlich schielte ich zu Sascha, doch er bemerkte es gar nicht. Deprimiert wandte ich mich wieder von Christian ab und sank in mein Glas.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich nach Hause kommen soll«, hörte ich Christian ratlos sagen.
    »Soweit ich weiß«, er seufzte, »fährt kein Zug mehr.«
    Ungläubig sah ich ihn an.
    »Kann ich nicht bei dir schlafen, Emilia? Ich fass dich auch nicht an, versprochen. Es ist nur, wie gesagt, es fährt kein Zug mehr.«
    Kopfschüttelnd winkte ich ab. Diesen Mann mit der geteilten Stirn und den misstrauischen Augen in meine Wohnung lassen? Nein, niemals. Selbst wenn Saschas Ablehnung wie eine Schlange in mir hochkroch.
    Um fünf Uhr wurde im Club das Licht angeschaltet, um die letzten Unverbesserlichen nach Hause zu jagen. Plötzlich war es taghell und der Gedanke, dass ich gleich ganz alleine sein würde, beunruhigte mich. Eine grauhaarige Frau mit dunklen Rändern unter den Augen reichte mir an der Garderobe meine Jacke an. Christian blieb wie ein
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