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Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein
Autoren: Sylvia Halcour
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nicht da.«
    »Sie waren da«, sagte er und etwas Vergessenes in mir stöhnte erlöst auf.
    »Warum bist du dann gegangen?«, fragte ich.
    Er schwieg.
    »Ohne ein Wort zu sagen?«
    Er schwieg weiter und es machte mich ärgerlich.
    »Julian, sag doch einfach, ich habe dir nicht gereicht.«
    Aber er sagte nichts.
    Mir fiel ein, dass er nie über seine Gefühle zu mir gesprochen hatte und ich dies stets hingenommen hatte, um ihn nicht zu verlieren. Nun, da alles vorbei war, und er noch immer kein Wort über seine Lippen brachte, zweifelte ich, ob er überhaupt dazu fähig war.
    Als ich aufstand und gehen wollte, griff er meine Hand und zog mich zurück. Unsere Gesichter waren uns auf einmal so nahe, wie sie es damals gewesen waren. Seine dunklen Augen suchten meinen Blick und sein Atem strich meine Wange.
    »Wenn ich dir sage, dass es nicht an dir lag«, flüsterte er und tippte mit seinem Zeigefinger unter mein Kinn. Ich atmete ein und atmete aus. Sein Duft war mir vertraut, aber er blieb mir fremd.
    Als ich ging, fragte er, ob wir uns wiedersähen.
    »Meinst du das ernst?«, hatte ich ungläubig gefragt und bevor er mir antworten konnte »Nein« gesagt.
     

Glücksbringer
     
    Ich blinzelte. Das Licht stach mir in die Augen. Mir war angenehm warm. Zufrieden streckte ich Arme und Beine von mir, so dass ich das ganze Bett einnahm. Johannes Uhr zeigte kurz nach sechs. Nur noch ein paar Minuten liegen bleiben, nur noch ein paar Sekunden träumen.
    »Du hier?«, hatte Johannes gefragt, als ich am Abend vor seiner Türe stand.
    »Deine Uhr, ich wollte sie dir zurückgeben«, sagte ich.
    Er verschränkte seine Arme. »Deshalb bist du gekommen?«
    Als ich das Wort wieder aufnahm, klang meine Stimme gefasst, als wäre es nichts Besonderes hier zu stehen. Ich berichtete von den letzten Tagen, in denen ich tatsächlich geschrieben hatte, so dass es mir das erste Mal möglich erschien, meine Arbeit einem Ende zuzuführen. Johannes lächelte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
    »Eben war ich bei Julian«, sagte ich.
    Kälte legte sich in seinen Blick. »Und?«
    »Ich wollte wissen, warum er gegangen ist.« Mein Fuß zeichnete eine Welle über den Boden. »Aber er hat es mir nicht gesagt.«
    Unsere Blicke trafen sich kurz, dann fielen sie wieder herab.
    »Ich brauche jemanden, der anders ist«, sagte ich, wobei die Worte kaum über meine Lippen wollten.
    »Und das siehst du jetzt in mir?«, fragte Johannes nachdenklich.
    »Schick mich weg und ich komme nie wieder«, flüsterte ich und Tränen flackerten in meinen Augen.
    »Emilia«, sagte er leise und strich mit seinen Fingerspitzen über meine Hand, die seine Uhr noch immer fest umklammert hielt. »Merkst du es nicht? Du gehst wieder von einem zum anderen.«
    Zuerst bereute ich, ihm von meinem Besuch bei Julian erzählt zu haben. Dann wurde mir schlecht, weil ich befürchtet hatte, er ließe mich nicht hinein.
    »Emilia, bitte, sieh mich an«, sagte Johannes und hob mit seinen Fingerspitzen sanft mein Kinn. Zuletzt hatte mich Julian so berührt, so dass er für einen Augenblick zu mir zurückkehrte und mein Denken und Fühlen einnahm, als wäre er nie gegangen. Johannes Nähe beruhigte mich sofort, aber ich spürte, auch er würde mir diesen alten, stummen Schmerz nicht nehmen können, der mich zwang, mit ihm, mit Julian oder einem anderen zusammen zu sein.
    »Dann komm rein«, sagte Johannes unvermittelt und trat zur Seite.
    Ich sah in eine Wohnung, die viel größer war, als ich es erwartet hatte. Wie sehr hatte ich mir in den letzten Tagen gewünscht dort zu sein und dort mit ihm zu sein. Und nun, als es soweit war, erschien es mir, als hätte ich versagt.
    Johannes wirkte überrascht, als ich verneinte. Er habe Recht, ich solle versuchen, eine Weile nur für mich zu sein. Sonst ginge die Einsamkeit nie, auch nicht mit ihm.
    Seine Uhr nahm Johannes nicht zurück. Sie bringe mir Glück, sagte er lächelnd, ich solle sie noch behalten. Ich fragte ihn, wie er das meine, aber er sagte nur, ich würde schon sehen.
    Als ich ihn verließ, war ich seltsam aufgewühlt. Blätter wehten von den Bäumen und der Himmel verdunkelte sich wie ein endender Film. Das erste Mal sehnte ich mich danach, alleine zu sein.
     
    ***
     

- Impressum -
     
    Glück allein
    von Sylvia Halcour
    2013
    Version 1.0
     
    ISBN 978-3-00-044649-8
     
    Hermann Rummel (Herausgeber)
    Klosterstr. 130, 50931 Köln
     
    Cover und Gestaltung: Timo Kümmel
    www.timokuemmel.wordpress.com
     
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