Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein
Autoren: Sylvia Halcour
Vom Netzwerk:
Hand entgegen. »Kannst mich aber auch Lilly nennen.«
    Ich lachte. Wann sollen wir heiraten?
    »Emilia, wie gehts dir?«, fragte Paul und zog mich von Sascha weg. »Wie war dein Examen?«
    Seine Frage ließ mich zu Hanna blicken, deren Augen wieder spannten. Noch gestern hatte sie gesagt, das Gefühl, sich ständig die Hände waschen zu müssen, lasse sie nicht mehr los. Wie diese Note für mich eine stetige Quelle der inneren Anerkennung war, blieb sie für Hanna eine entstellende Narbe.
    »Ganz gut«, sagte ich zu Paul, um nicht mehr sagen zu müssen, und schlug meinen Freundinnen vor, noch einen Cocktail zu trinken. Wir Frauen rotteten uns über der Karte zusammen.
    »Zitronen, Rum, Ananas, Sahne«, Hanna las jede Zutat laut vor und ich murmelte mit, wir waren hier um zu vergessen, die Männer aber waren vom Leistungsdruck wie von einem schlechten Atem befallen. Ihre Gespräche drehten sich nur um ihre Examen, die Klausuren waren bei Paul super, bei Christian ziemlich gut, dafür war die mündliche Prüfung bei Christian überragend gelaufen, was bei Paul gewiss ähnlich gewesen wäre, stünde sie ihm nicht noch bevor.
    Ein Jahr war ich früh aufgestanden, um zu lernen, nachts aufgeblieben, um zu lernen und nicht ausgegangen, um zu lernen. Ein Jahr hatte ich genauso wie sie gedacht, aber dieses Jahr war nun vorbei.
    Mit einem neuen Erdbeercocktail schlenderte ich neben Sascha. »Was machst du denn beruflich?«
    Er lächelte. Seine hellblauen Augen hatten einen dunklen Rand. »Ich bin Softwareentwickler.«
    »Oh, Softwareentwickler«, wiederholte ich interessiert, sehr interessiert, da hielt er sein Handy in die Luft, er müsse mal telefonieren und verschwand aus unserem Kreis.
    Seine Freundin anrufen, dachte ich gleich, mit wem telefoniert man sonst um elf? Und nur wenig später wurde meine Vermutung hastig von Paul bestätigt.
    Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, aber die Enttäuschung, dass er vergeben war, dass es vergebens war, kratzte an der dünnen Haut meiner Zufriedenheit. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn ich Leo nach so kurzer Zeit einfach hätte ersetzen können.
    Paul und Christian waren nun bei Großkanzleien, Maria ließ Hanna ihren Cocktail probieren und Sascha kehrte gerade in unseren Kreis zurück, als eine Wespe summend meinen Cocktail umkreiste.
    »Empfinden Insekten eigentlich Schmerz?«, fragte ich in die Runde.
    Alle starrten mich an.
    »Nein«, sagte Paul verdutzt, doch Maria verzog skeptisch den Mund.
    »Natürlich«, sagte Hanna, »jedes Lebewesen empfindet Schmerz.«
    »Dann ja auch Blumen«, scherzte Christian und erntete von uns Frauen strafende Blicke.
    Wir begannen zu diskutieren, kamen vom Schmerzempfinden zum Weinen, was Männer nach Ansicht der Männer nicht dürften. Auch nicht, wenn man verlassen wird.
    »Mein Verflossener hat geweint, als ich ihn verlassen habe«, berichtete ich wahrheitsgemäß.
    »Ja, ich bin dennoch gegangen«, stimmte ich Paul zu, der mitleidig dreinblickte.
    »Nein, Sascha, Frauen sind nicht eiskalt«, stellte ich klar und meine Wangen erröteten, als er mir lachend zuzwinkerte.
    Dann verstummten wir Frauen.
    »Traue keinem Wesen, das länger als vier Tage blutet und nicht stirbt«, hatte Christian zuletzt gesagt.
    Paul schlug uns vor, rein zu gehen.
    Drinnen war es laut und dunstig. An den Seiten der Tanzfläche erhoben sich einander gegenüberliegend zwei in hellgelbes Licht getauchte Bars und wie Mücken schwirrten die Leute im Lichtkreis der Theken. An einer der Bars ergatterten wir einen freien Platz.
    Paul bestellte Bier »für alle«, für uns alle, ich hörte die Glocke, Ring frei, zweihundert Menschen auf einer anderen Bewusstseinsebene erleben, die Nacht konnte beginnen. Ich warf mein Haar zurück und blickte zu Sascha. Lange hatte ich darauf gewartet.
    Während einige Mutige auf die Tanzfläche plätscherten und sich rhythmisch zur Musik bewegten, schlichen meine Blicke über ihn, wie er sich lachend die Haare aus der Stirn strich, wie er sein Bierglas drehte, wie er in einem vermeintlich unbeobachteten Moment seinen Nacken massierte... Aber ich zwang mich wegzusehen. Er hatte eine Freundin. Ich sollte mir keine Hoffnungen machen. Mein neues Leben sollte nicht gleich mit einer Enttäuschung beginnen. Wenigstens für ein paar Wochen, für ein paar Tage, für ein paar Stunden wollte ich mein Herz für mich behalten und das erste Mal seit langem frei und unabhängig sein.
    Doch jeder Wunsch nach Freiheit, nach Unabhängigkeit war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher