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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana
Autoren: Michael Moorcock
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sich wieder.
    »Nein! Nein!« rief Gloriana ihnen zu. Sie konnte das Morden nicht länger ertragen. Lieber wollte sie selbst sterben. Quire lächelte, als seine gerade, schmale Degenklinge in Montfallcons rechtes Auge stieß und den Kopf durchbohrte. Das metallische Krachen, mit dem der graue Lord stürzte, hallte gräßlich in Glorianas Gehirn wider. Sie preßte die Hände gegen die Ohren und schloß die Augen. Sie schluchzte. Quire kam aus der Dunkelheit auf sie zu, und wieder wich sie zurück, als fürchte sie ihn ebensosehr, wie sie ihren Großvater gefürchtet hatte. Quire blieb stehen. »Ich habe Euch gerettet.« »Es ist ohne Bedeutung«, sagte sie.
    »Was? Ist keine Dankbarkeit geblieben, keine Liebe?«
    »Nichts«, sagte sie. »Du warst mir ein guter Lehrer. Du lehrtest mich, nur mich selbst zu lieben.«
    Er war erfreut und stolz auf seinen Sieg über Montfallcon. Mit seiner alten kecken Zuversicht kam er näher. »Aber ich bin heute ein Held, kein Schurke. Sicherlich habe ich einen kleinen Strafaufschub verdient? Wenigstens einen Kuß, Gloriana, für Euren Quire, der Euch herzlich liebt und es immer tun wird.« »Du bist ein Lügner! Du kannst nicht lieben. Du bist eine ganz aus Haß gemachte Kreatur. Du kannst jedes Gefühl nachahmen. Aber die wahre Empfindung ist dir fremd.«
    Er dachte darüber nach. »Das mag einmal wahr gewesen sein«, sagte er und kam wieder näher, nachdem er den Degen in die Scheide gestoßen hatte. »Aber ich liebe Euch. Wenn Ihr wollt, werde ich gehen. Nur dankt mir zuvor.«
    »Wie lange warst du da? Wie lang beobachtetest du das Geschehen? Wolltest du dem Drama bis zum schrecklichen Hö hepunkt seinen Lauf lassen, bevor du deinen Auftritt inszeniertest? Hättest du diesem armen Geschöpf nicht das Leben retten können? Meiner Mutter, die du so niederträchtig mißbrauchtest?«
    »Dr. Dee fand sie angenehm, und solange ihr Geist von den Mitteln besänftigt war, die ich ihr gab, fand auch sie den guten Doktor angenehm. Mehrere Monate waren die beiden glücklich. Glücklicher als sie es je zuvor gewesen sind. Und vergeßt nicht, sie brachte Dr. Dee um. Er wäre an ihr gestorben, hätte ihn nicht ein Herzschlag erlöst.« »Du hättest sie retten können.« Er zuckte die Achseln. »Warum?«
    »Dann bist du noch immer der alte grausame Quire.«
    »Ich bin noch immer ein praktisch denkender Mann, das weiß ich. Andere sind es, die mir diese Definitionen anheften. Mein Name ist Kapitän Arturus Quire. Ich bin ein Gelehrter und ein Soldat aus guter Familie.«
    »Und der größte, niederträchtigste Schurke in Albion«, versetzte sie. »Du wirst keinen Kuß von mir bekommen, Quire. Du bist ein Deserteur! Du flohst. Du nahmst dir selbst deine Stütze.« »Was hätte ich tun sollen? Hätte ich Euch vor all diesen Zeugen, die mich anklagten, ein elendes und erniedrigendes Schauspiel geben sollen? Es war taktvoll, daß ich mich zurückzog.« Sie mußte lächeln. »Niemand klagt dich jetzt an. Darin liegt wahre Ironie. Deine Opfer vergeben dir oder weigern sich zu glauben, daß du die Ursache ihres Unglücks warst!«
    »Ich sehe keinen Sinn darin, den Helden zu spielen«, sagte er. »Man sagte mir immer, daß demjenigen, der eine schöne Dame vom Tode errettete, eine Belohnung zustehe.« Sein Tonfall wurde ernsthaft. »Ich will Euch, Gloriana.«
    »Du kannst mich nicht haben, Quire. Ich bin nicht sterblich. Außerdem lehrtest du mich, zu hassen. Ehe ich dich kannte, war mir diese Empfindung fremd.«
    »Ich habe auf Euch gewartet«, sagte er in eindringlichem
    Ton. »Ich bin geduldig gewesen. Ich lehrte Euch Stärke. Und ich lernte Liebe von Euch. Nennt Eure Bedingungen, ich werde sie annehmen. Ich liebe Euch, Gloriana.«
    »Geduld trägt ihren Lohn in sich«, sagte sie, noch immer voll von Angst und Zweifeln. »Ich pflegte mich jedem zu schenken, der mich begehrte, weil ich wußte, wie verzehrend das Verlangen sein kann. Ich litt unter diesem Verlangen, Quire. Dann brachtest du es mit Sanftheit und Geduld zur Ruhe, und ich verlor mich selbst. Nun verspüre ich wieder das alte Verlangen, aber ich habe keine Zuneigung mehr, nicht für dich und nicht für irgendeinen anderen. Lieber leide ich an meinem Verlangen, als daß ich die Gelüste anderer befriedige, denn immer wenn diese Gelüste befriedigt sind, bleibt mir die Qual meines Verlangens.«
    »Die Schuld ist die unzertrennliche Begleiterin der Romanze«, sagte er beiläufig. Dann zog er mit einem Ruck den Degen aus der Scheide und funkelte
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