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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana
Autoren: Michael Moorcock
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wir uns ohne drängenden Zwang einer Vielzahl von Themen widmen konnten. Es war in mancherlei Hinsicht eine Ferienzeit. Jedenfalls für jemanden mit einer Neigung zum Fatalismus.« »Aber du willst nicht am Hof bleiben?«
    »Ich werde sicherlich zurückkehren. Aber nicht in nächster
Zeit. Ich brauche die Luft von Scaith.«
»Und du nimmst Oubacha Khan mit dir?«
    »Als meinen Gast«, sagte Una lächelnd. »Er ist dem Zölibat verpflichtet, wie er mir sagt! Ein Gelübde.«
    »Aha. Ein Gelübde.« Glorianas Gedanken schienen abzu
schweifen.
»Grämt Ihr Euch noch immer um Quire?«
»Er ist ein Verräter.«
    »Perrott ist nicht dieser Meinung. Er beharrt auf seinem Glauben, daß er Lord Montfallcons Opfer war.«
    Die Königin zuckte die Achseln. »Nun, beide sind jetzt fort.«
»Ich hege keinen Groll gegen ihn«, sagte Una. »Weil Ihr ihn
so liebt, Gloriana.«
»Ich liebe nichts.«
»Ihr liebt Albion.«
    »Ich liebe mich selbst. Sie sind ein und dasselbe.« Ihr Ton war nicht bitter. Es war schlimmer: Er war hoffnungslos. Una zögerte. »Ich werde bleiben. Wenn Ihr meint …«
    Gloriana schüttelte den Kopf. »Geh mit deinem Tataren nach Scaith.« Sie bewegte sich wie eine Trauerbarke zum Fenster, wo sie stehen blieb und mit ihrer hohen Gestalt den Raum verdunkelte. »Du hast für das Reich dein Leben riskiert. Ich möchte nicht, daß du für sein Symbol deine Seele riskierst.« »Oh, Gloriana!«
    Die Freundinnen umarmten einander. Una weinte, doch in den Augen der Königin waren keine Tränen.

    DAS VIERUNDDREISSIGSTE KAPITEL

    In welchem abermals die Vergangenheit beschworen wird und alte
    Feinde ihr langdauerndes Ringen zur Entscheidung bringen

    Der drohende Krieg war abgewendet, und die arabische Flotte segelte heimwärts, noch bevor sie mit Tom Ffynne und den Perrotts zusammentreffen konnte. In Albion erwachte neuer Optimismus, als die Eintracht endlich wiederhergestellt war. Die Königin machte Pläne für eine Rundreise und bedauerte nur, daß die Gräfin von Scaith nicht ihre Reisebegleiterin sein konnte. Sir Orlando Hawes trug Alys Finch die Ehe an und wurde erhört. Nun, da Quires Einfluß geschwunden war, hatte er die Unschuld in ihr gefunden. Sir Amadis Cornfield und sein Gemahlin wurden an den Hof geladen und kamen, um sich zu demütigen und gnädige Vorwürfe in Empfang zu nehmen, wenngleich es der Hauptzweck der Königin war, diesem neuen, ernüchterten Sir Amadis das Amt des Lordkanzlers anzubieten, welches mit der Erhebung in den Grafenstand verbunden war. Sir Amadis aber bat um die Erlaubnis, nach Kent zurückkehren zu dürfen. Als Begründung gab er an, er habe den Geschmack an der Staatskunst verloren. Und Gloriana war allein, wie sie nie zuvor allein gewesen war. Jede Nacht grämte sie sich um ihren schurkischen Liebhaber, und bisweilen hörte man ihre seufzende Stimme durch die leeren Gänge und Schächte in den Wänden, das verlassene Serail, wenn der Jammer sie so überwältigte, daß sie weinte; wenngleich sie niemals seinen Namen erwähnte, nicht einmal in der dunklen Abgeschiedenheit ihres verhangenen Bettes. Die Herbsttage wurden allmählich kühler, aber noch immer war das Jahr unnatürlich warm. Die Tatarei zog ihre Truppen von fremden Grenzen zurück. König Kasimir wurde wieder zu Polens König gewählt. Die Gesandtin Yashi Akuya kehrte nach Nippon zurück, nachdem sie alle Hoffnung verloren hatte, Oubacha Khans Herz zu gewinnen. Hassan al Ghafar hielt um die Hand der Prinzessin Sophie an, der Schwester Rudolfs von Böhmen, und Prinz Sharyar wurde zur Exekution nach Arabien befohlen und schien unglücklich, als er begnadigt wurde.

    Die letzten Blätter fielen und lagen in angewehten Haufen auf den Wegen. Sir Orlando Hawes wurde zum Lordkanzler ernannt, und Admiral Ffynne wurde, gemeinsam mit ihm, zum Hauptberater der Königin. Meister Gallimari und Meister Tolcharde inszenierten ein weiteres prachtvolles Schauspiel im großen Palasthof, welchem die Königin, viele Adlige und ein ausgewähltes Publikum von Gemeinen beiwohnten und in dem die mechanischen Harlekine sich besonders hervortaten und einen Triumph errangen. Sir Ernest Wheldrake trug Lady Lyst in rührseligen Versen die Ehe an, und sie erhörte ihn in trunkener Unbekümmertheit. Der Thane von Hermiston, der ungewollt Montfallcons letzte Rache gefördert hatte, verschwand in Meister Tolchardes Feuerkugel und kehrte nie nach Albion zurück. Dr. Dee blieb in seinen Räumen und empfing keine Besucher, nicht einmal die Königin
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