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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana
Autoren: Michael Moorcock
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Kriegsrüstung, der seinen Krummsäbel samt Scheide und Wehrgehänge einem der königlichen Leibwächter aushändigte; Sir Orlando Hawes, staubig und grimmig, in Helm und Brustharnisch; Alys Finch, die eine kleine schwarz-weiße Katze in den Armen hielt und Quire triumphierend zulächelte; die Gräfin von Scaith, in Männerkleidung, schmutzig und abgemagert; und Sir Thomas Perrott, zerlumpt, langhaarig, schmutzig, mit rotgeränderten Augen. »Una!«
    Alle sahen zu Quire, niemand zur Königin, obwohl sie den Namen ihrer Freundin rief.
    Quire lächelte zurück zu dem Mädchen, das diese Gefangenen gerettet hatte, dieselben, die sie ihm ursprünglich verraten. »Dein Talent für Intrige und Verrat ist noch größer als ich dachte, Alys. So sucht die Schülerin den Lehrer zu übertreffen.«
    Alys Finch lachte im fröhlich ins Gesicht. »Man jagt das größte Wild, Kapitän.«
    Hinter ihm erhob sich die Königin vom Thron. »Una!«
    Quire fühlte sich von einer leichtsinnigen Unbekümmertheit überkommen. »Albion ist gerettet! Albion ist gerettet! Und Arabiens nichtswürdige Pläne sind durchkreuzt!« Während er dies in den Saal rief, ging er weiter rückwärts, aus den Augenwinkeln nach Möglichkeiten zur Flucht Ausschau haltend. Sie folgten ihm. »Una!«
    Die Gräfin von Scaith zögerte, dann grüßte sie die Königin mit einem Hofknicks. »Euer Majestät. Alys Finch ist hier, um gegen ihren Herrn Zeugnis abzulegen …«
    »Und Ihr seid imstande, dem Wort dieser kleinen Intrigantin zu glauben?« rief Quire höhnisch. Er schlug den Umhang zurück, um den Degen zu ziehen. Er trug noch immer die rote Schärpe, sein Zugeständnis an das Sentiment. »Welche Beweise habt Ihr? Hat einer von Euch mich jemals gesehen?« Er wußte, daß sie ihn nicht gesehen haben konnten. Er war sorgsam darauf bedacht gewesen, sein Gesicht mit der Kapuze zu verhüllen. Gleichwohl war ihm bewußt, daß er dem Untergang geweiht war.
    »Sir Thomas!« rief die Königin froh, als sie endlich den alten Perrott erkannte. Und sogleich wandte sie sich zu Sir Orlando. »Sofort einen Boten nach Kent. Und einen zweiten nach Portsmouth.«
    »Es ist schon geschehen, Euer Majestät«, sagte Hawes. Er ging auf Quire zu, der nun die Tür zu Montfallcons Amtsräumen (die während der letzten Tage die seinigen gewesen waren) erreicht hatte. »Wir sind von der Kriegsgefahr erlöst. Aber nun müssen wir uns von Quire befreien. Ein für allemal.« »Hurra!« rief Quire, zog seinen Schlapphut aus dem Gürtel, schüttelte die Federn aus und setzte ihn auf. »Die Tugend triumphiert, und der arme Quire ist angeklagt, entehrt, entlassen.«
    Die Kußhand, die er der verdutzten Gloriana zuwarf, schien aufrichtig. Er sprang durch die Tür und schloß sie hinter sich. Sir Orlando Hawes und Oubacha Khan rannten hinzu und riefen Helfer von der Leibwache zu sich. Quire hatte zugesperrt.
    Als es ihnen endlich gelang, die Tür aufzubrechen und in die Amtsräume des Lordkanzlers einzudringen, gab es dort nichts als ein kleines Feuer, das im Kamin brannte, und feine Staubteilchen, die in der vom herbstlichen Licht erfüllten Luft schwebten, als wäre Quire wie ein bösartiger Dämon ganz und gar nicht exorziert worden.

    DAS DREIUNDDREISSIGSTE KAPITEL

    In welchem Königin Gloriana und Una, Gräfin von Scaith, auf die
Vergangenheit zurückblicken

    »Ich fühle mich nicht schuldig«, sagte Gloriana freudlos, »und denke, daß ich es auch nicht sollte. Aber das Empfinden – das starke Empfinden – hat mich verlassen. Das Serail war zu einem Museum fehlgeschlagener Hoffnungen geworden. Meine Kinder …« Sie seufzte. »Ich war niemals voll bewußt, Una.«
    Die Gräfin von Scaith, in voluminöser Reisekleidung, ergriff die Hand ihrer Freundin. Sie waren allein im Salon. Gloriana trug dunkle Farben, die den Tönen des Spätherbstes angemessen waren. Draußen ging leichter Regen nieder.
    Gloriana legte ihre Hand auf die der Freundin und lächelte sie an. »Du hast dich gut erholt, wie mir scheint.«
    »In Wahrheit«, antwortete Una, »stecke ich in einem ähnlichen Dilemma wie Ihr, denn ich weiß, daß ich mehr Schrecken hätte fühlen sollen. Aber meine Einkerkerung hatte etwas Tröstliches. Sie befreite mich von aller Verantwortung. Und Sir Thomas Perrott, sobald er begriffen hatte, daß ich eine Freundin war, erwies sich als ein angenehmer und gütiger Leidensgefährte. Wir sprachen viel miteinander. Wir waren so tief im Untergrund begraben, und jede Flucht war so unmöglich, daß
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