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Glitzerbarbie

Glitzerbarbie

Titel: Glitzerbarbie
Autoren: Steffi Wolff
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Sandhügel statt, damit sich auch niemand verletzt, sollte er im Nahkampf stürzen. Der Film wurde damals, glaube ich, gedreht, um Jugendliche von gewalttätigen Handlungen abzuhalten. Da es aber zwei Stunden lang immer denselben Dialog zu hören gab (» AU !« »Oh, Entschuldigung!« »Ist schon okay!« » AU !« »Oh, Entschuldigung!« »Ist schon okay!«), sind die jugendlichen Zuschauer nach einer halben Stunde aufgestanden, um erst mal dem Kassierer eins aufs Maul zu hauen, weil der sich geweigert hat, ihnen das Geld wiederzugeben. Dann haben sie entweder a) eine Schnapsbrennerei überfallen, um das Erlebte mit Alkohol zu verarbeiten, oder b) ihre ausländischen Schulkameraden in einem Sandkasten verprügelt in der Hoffnung, dass diese lediglich mit »Oh, Entschuldigung!« reagieren. Der Film hatte nicht so dolle Besucherzahlen.
    Oh! Gero schlägt zurück und versetzt Roland einen Klaps auf dessen Brustkorb.
    »Des reischt jetzt abber!« Marius’ Mutter beendet den Zweikampf jäh, indem sie sich mit ihren hundertzwanzig Kilo zwischen Gero und Roland drängelt. In ihrer Erregung wirkt sie in ihrem bauschigen Etwas wie eine Aubergine, die man mit einer Tomate garniert hat (wegen des hochroten Kopfes). »Des Hochzeitspaar dud gleisch komme, un ihr wollt eusch kloppe?«, brüllt sie wütend.
     
    Tatsächlich, da kommt ja eine Limousine angefahren. Im Schritttempo natürlich, damit alle das Brautpaar gebührend bewundern können. Mir wird gleich schlecht. Aber wenigstens hören Gero und Roland mit ihrer Rangelei auf. Schade eigentlich.
    Das Auto hält direkt vor der Kirche an, und Marius steigt aus, nachdem sein Vater ihm die Tür geöffnet hat. Mich trifft fast der Schlag, als ich ihn sehe. Er hat einen Smoking an und natürlich ein weißes Hemd. Aber jetzt kommt das Schrecklichste: Marius trägt einen Kummerbund. Ich habe mir immer vorgestellt, wie er wohl in einem Kummerbund aussieht. Ich wollte ihn heiraten! Und er sollte an unserem großen Tag einen Kummerbund tragen!
    Jetzt steigen mir auch noch die Tränen in die Augen. Schnell versuche ich, an etwas Lustiges zu denken, aber ich kann an nichts Lustiges denken. Ich könnte jetzt ja einfach gehen, aber ich bleibe natürlich da stehen, wo ich stehe. Wie ein Ölgötze.
    Und dann taucht ein Meer aus weißer Seide auf. Es ist natürlich Uschi. Sie steigt aus dem Wagen wie eine Elfe und strahlt Marius an. Wie Uschis Brautkleid wohl aussieht, wenn ich ihr die Zähne ausgeschlagen habe? Ich komme mir schrecklich deplatziert vor.
    Wäre ich doch bloß nie auf diese entsetzliche Hochzeit gegangen!
    Ich fühle mich wie eine Happy-Hippo-Fehlpressung. Wer braucht schon Happy-Hippo-Fehlpressungen? Nur Vollidioten, die am Wochenende auf Überraschungsei-Flohmärkte tapern.
    Obwohl ich durch die Fehlpressung sechs Finger an einer Hand habe und ganz viel wert bin, komme ich mir nutzlos vor. Irgendwann stehen die ganzen Happy-Hippos sowieso auf einem Dachboden rum und verstauben, oder der einst stolze Besitzer tritt barfuß auf einen Samurai-Happy-Hippo und hat eine Verletzung am mittleren Zeh, die schlecht abheilt, weil Winter ist und nicht genug Luft an den Fuß kommt. Wenn er Pech hat, eitert der Fuß dann noch, und er kann im Januar mit einer Jesuslatsche am Fuß einkaufen gehen. Spätestens dann werden die Happy-Hippos im Müll landen. Oder wieder auf einem Überraschungsei-Flohmarkt. Ich drehe gleich durch.
     
    Da steht Uschi in ihrer vollen Brautpracht. Es ist fast eine Kopie des Kleides, das Prinzessin Diana 1981 trug, als sie so süß errötete und dann in der Kirche sagte: »I’ll take this Philip Charles Arthur George to my husband«, oder so ähnlich. »’til death us do part.« Aber Uschi hat wenigstens zugenommen. Sie ist richtig mopsig geworden. Wenigstens etwas. Ich komme mir fast vor wie Calista Flockheart. Das Uschilein ist eine Wuchtbrumme! Juchu!
    »Na, Schatz, auch mal wieder im Lande?« Pitbull steht plötzlich neben mir.
    »Hmhm«, sage ich. Weil ich immer noch sauer bin. »Was macht denn der Club?«, frage ich, nur um was zu fragen.
    »Alles am Laufen, Schatz, alles am Laufen. Nächste Woche mache ich die Quartalsabrechnung. Ich wollte dir eh eine Mail schreiben, weil ich wissen muss, ob die Bankverbindung noch stimmt.«
    So weit ist es also schon gekommen. Pitbull schreibt mir eine
Mail. Er kann mich nicht mal mehr
anrufen
! Ich bin sehr traurig plötzlich. Was ist nur alles schief gelaufen?
    »Ja, die Bankverbindung ist immer noch die gleiche«,
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