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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab
Autoren: Arnaldur Indridason
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der persönliche Referent. »Er behauptet, wir hätten ihn aufgefordert, den Abschluss des Geschäfts voranzutreiben, indem er die Ware ohne jede Sicherheit rausschickt, aber das ist blanker Unsinn. Eine solche Beratung gehört nicht zu unserem Aufgabengebiet. Es bleibt allein dem Betreffenden überlassen, wie er seine Geschäfte mit den Kunden abwickelt.«
    »Natürlich«, sagte Kristín.
    »Wie dem auch sei«, sagte der persönliche Referent und sah auf die Uhr. »Wir wollten dich darüber in Kenntnis setzen. Es könnte angebracht sein, Vorsicht walten zu lassen. Wenn dieser Randolf dich noch einmal bedroht, wende dich direkt an die Polizei. Sie wissen Bescheid.«
    Nachdem das Meeting beendet war, begann für Kristín wieder der Büroalltag. Sie sah erst wieder um die Mittagszeit von ihrem Schreibtisch hoch, als sie mit zwei Kollegen in die Pause ging und sich in eine kleine, gemütliche Kaffeebar in der Nähe des Ministeriums setzte. Bei einem Omelett und einer Tasse Kaffee unterhielt sie sich und blätterte in einer Zeitung. Gegen eins kehrte sie ins Büro zurück und fand mehrere Telefonnotizen vor, darunter eine von ihrem Bruder. Er würde später noch einmal anrufen. Ansonsten verlief der Tag ohne besondere Ereignisse.
    Sie machte früh Feierabend. Es hatte aufgehört zu schneien, und draußen herrschte stilles und schönes Januarwetter. Weil Freitag war, ging sie auf dem Heimweg im Supermarkt vorbei und kaufte fürs Wochenende ein. Sie wohnte in der ersten Etage eines kleinen, hübsch herausgeputzten Mehrfamilienhauses.
    Bevor sie den Schlüssel ins Schloss steckte, hörte sie drinnen schon das Telefon klingeln. Sie öffnete hastig, lief zum Telefon und hob den Hörer ab.
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    »Ja, hallo«, meldete sie sich.
    »Hallo«, hörte sie am anderen Ende der Leitung und erkannte ihren Bruder sofort an der Stimme.
    »Elías!«, sagte sie laut.
    »Hallo«, antwortete ihr Bruder. »Kannst du mich hören?«
    »Ich kann dich gut …«
    Die Verbindung brach ab, und sie legte auf. Sie wartete noch eine ganze Weile neben dem Telefon, ob Elías sich direkt wieder melden würde, aber vergeblich. Sie schloss erst einmal die Haustür, zog ihre Jacke aus, hängte sie in die Garderobe, brachte ihre Einkaufstüten in die Küche und machte sich einen kleinen Imbiss. Sie hatte sich gerade an den Tisch gesetzt, als das Telefon wieder klingelte.
    »Hallo«, sagte sie. »Bist du das, Elías?«
    Keine Antwort.
    »Bist du auf dem Gletscher?«
    Keine Antwort.
    »Elías?«
    Sie hörte jemanden leise in der Leitung atmen, und plötzlich fiel ihr der Kerl wieder ein, der in ihrem Büro ausgerastet war.
    Randolf. Sie schwieg und spitzte die Ohren.
    »Wer ist da?«, fragte sie, bekam aber keine Antwort.
    »Bist du das, Randolf? Du Perverser«, sagte sie. Nach kurzem Nachdenken rief sie: »Randy!«, und knallte den Hörer auf die Gabel.
    Sie schmierte sich eine Schnitte, trank Orangensaft dazu und dachte an das Meeting mit dem Direktor und dem Referenten.
    Sie holte ein paar Unterlagen aus ihrer Aktentasche und versuchte sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ihr fielen die Augen zu, sodass sie sich im Wohnzimmer aufs Sofa legte.
    Dann kam sie auf die Idee, einen Kaffee aufzusetzen, aber sie 40

    hatte vergessen, Milch einzukaufen, und dachte, dass sie vor Geschäftsschluss noch einmal rausmusste, um welche zu holen.
    Sie konnte sich nicht aufraffen.
    Dann nickte sie ein.
    Ihr war nicht klar, wie lange sie eigentlich geschlafen hatte.
    Sie stand auf und zog Anorak und Handschuhe an. Es gab einen kleinen Laden um die Ecke, bei dem sie eben Milch holen gehen wollte. Sie trank ihren Kaffee nur mit aufgeschäumter Milch.
    Kristín war gerade an der Tür, als das Telefon wieder klingelte.
    Sie erschreckte sich fast ein wenig.
    »Was ist denn eigentlich los, verdammt nochmal?«, stöhnte sie und nahm ab.
    »Hallo, Elías hier. Komm ich gut rüber?«
    »Elías!«, sagte Kristín. »Wo bist du eigentlich?«
    »Ich habe … dich zu erreichen … heute. Ich bin jetzt auf dem Gletscher …«
    Die Verbindung war schlecht und riss immer wieder ab.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie. Nach dem kurzen Schlaf fühlte sie sich, als hätte sie eins über den Schädel bekommen.
    Sie war heute Morgen viel zu früh aufgestanden.
    »All … bestens. Wir zwei sind mit Motorschlitten unterwegs.
    Von … Wetter. Es ist … Dunkelheit.«
    »Was meinst du damit, ihr zwei? Wo sind die anderen?«
    »Wir haben … kleine Spritztour … bei dem guten …«
    »Dein Telefon
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