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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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(Cloud behauptete, das Lamm auf dem Bild zu sein, aber die anderen glaubten es ihr nicht.) Beth, in einem Sommerkleid, ebenfalls jung und mit strahlenden Augen. »Eine tödliche Romanze« hieß die Geschichte dazu. »Leichenschänderin aus Liebe« zeigte ebenfalls Beth, allerdings alt, so wie die Schafe sie kannten, mit steifem Kragen und steinernstem Gesicht.
    Rebecca dachte viel über Beth nach. »Sie ist ganz anders seit diesem Abend«, sagte sie. »Ich glaube, sie ist der romantischste Mensch, den ich kenne …«
    »Dieser Abend« – das verstanden die Schafe – war der Abend, an dem vier von ihnen am Smartest-Sheep-of-Glennkill-Contest teilgenommen hatten. Sie hoben stolz die Köpfe. Irgendetwas Entscheidendes hatten sie an diesem Abend fertig gebracht, wenn sie auch nicht so genau wussten, was es war.
    Die Sache mit dem Selbstmord blieb den Schafen weiterhin ein Rätsel. Sie konnten nicht begreifen, wieso George etwas so Seltsames getan haben sollte – ausgerechnet George, der sonst immer alle Dinge so sagte, dass ein Schaf sie verstehen konnte.
    »Wahrscheinlich wusste er selbst bis zum Schluss nicht genau, was er tun würde«, sagte Rebecca. »Manchmal hilft mir das – mir vorzustellen, dass er bis zum Ende gedacht hat, er würde wirklich nach Europa fahren. Und dann war es doch eine andere Reise …«
    Sie schluckte und fuhr sich mit der Hand über ihre feuchten roten Augen. In der letzten Zeit waren Rebeccas Augen oft rot.
    »Aber ich weiß selbst, dass es nicht so einfach gewesen sein kann. Er hat schon vorher das Testament gemacht, damit ihr auf alle Fälle nach Europa fahren könnt. Er war ein guter Schäfer … Er hat Tess ins Tierheim gebracht. Er hat mir … den Brief geschrieben.« Rebecca wischte sich mit der Hand eine einsame Träne von der Wange. Sie starrte mitten durch Mopple hindurch, der in der ersten Reihe stand und auf weitere Bissen von der schmackhaften Zeitung hoffte. Ein abwesender Ausdruck war in Rebeccas Augen getreten. Die Zeitung sackte nach unten. Manchmal kam es vor, dass die neue Schäferin mitten im Vorlesen auf einmal das Vorlesen vergaß. Dann musste man sie zur Arbeit antreiben.
    Heide und Maude blökten laut und durchdringend, dann stimmte auch Ramses mit ein.
    Rebecca blickte auf und seufzte. Sie schlug die Zeitung knisternd wieder auf und las weiter in »Der einsame Schäfer und die große, weite Welt«.
     
    *
    Als die Glennkill-Geschichten in der Zeitung dann nach und nach immer kürzer und langweiliger wurden, holte Rebecca wieder das Buch hervor, das die Schafe schon bei ihrer ersten gemeinsamen Vorlesestunde beeindruckt hatte. Jetzt, bei Tage besehen, konnten die Schafe erkennen, was es für ein schönes Umschlagbild hatte: Jede Menge Grün, ein Bach, Berge, Bäume, Felsen.
    Dann ging es natürlich doch wieder um Menschen. Mit ein wenig Unruhe verfolgten die Schafe die Abenteuer einer kleinen menschlichen Herde, die auf der Heide lebte. Die Erfahrungen mit der Zeitung hatten den Schafen großen Respekt vor allem Geschriebenen eingeflößt.
    »Wenn Schafe und Menschen so einfach in Bücher hineinkönnen, dann kann auch etwas aus Büchern herauskommen«, sagte Lane, und Ramses und Heide begannen, das neue Buch misstrauisch zu beobachten, wenn Rebecca es nach dem Vorlesen auf den Stufen des Schäferwagens liegen ließ. Niemand hatte Lust darauf, plötzlich von dem wolfshaften Heathcliff-aus-dem-Buch beim Grasen überrascht zu werden.
    Aber das Buch blieb friedlich.
    Gegen Ende wurde es sogar richtig romantisch, mit zwei Geistern, die endlich frei über die Heide streifen konnten, wie sie es sich gewünscht hatten. Die Schafe dachten an George und hofften, dass auch seine Seele jetzt auf irgendeiner grünen Weide unterwegs war, vielleicht mit einer kleinen Herde, die er irgendwo gefunden hatte.
     
    *
    Eines Tages kam Ham den Feldweg herabgerollt. Die Schafe flüchteten sich in der üblichen Panik auf den Hügel. Von dort aus beobachteten sie, was am Schäferwagen passierte. Rebecca und der Metzger begrüßten sich.
    »Hoffentlich verkauft sie uns nicht«, sagte Mopple.
    »Das darf sie nicht!«, blökte Heide. »Es steht im Testament.«
    Trotzdem sahen die Schafe angespannt zu den beiden Menschen hinüber. So sicher waren sie sich ihrer Sache nicht.
    Es sah nicht gut aus. Rebecca und der Metzger schienen sich zu vertragen. Die Schafe ließen den Metzger nicht aus den Augen. Er kam ihnen ernst vor, ein bisschen faltig und gar nicht mehr so gefährlich. Da ein salziger
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