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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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mitten durch den Leib. Kein Wunder, dass er tot ist.« Ritchfield schauderte ein bisschen.
    »Und woher der Spaten?«
    »Jemand hat ihn hineingesteckt.« Für Sir Ritchfield war die Sache damit erledigt, aber Othello, das einzige schwarze Schaf der Herde, begann auf einmal, sich für das Problem zu interessieren.
    »Nur ein Mensch kommt in Frage – oder ein sehr großer Affe.« Othello hatte eine bewegte Jugend im Zoo von Dublin verbracht und versäumte es nie, bei Gelegenheit darauf anzuspielen.
    »Ein Mensch.« Maple nickte zufrieden. Die Zahl der Verdächtigen ging rapide zurück. »Ich denke, wir sollten herausfinden, was das für ein Mensch war. Das sind wir dem alten George schuldig. Wenn ein wilder Hund eines unserer Lämmer gerissen hatte, versuchte er auch immer, den Schuldigen zu finden. Außerdem gehörte er uns. Er war unser Schäfer. Keiner hatte das Recht, einen Spaten in ihn zu stecken. Das ist Wolferei, das ist Mord!«
    Jetzt waren die Schafe doch erschrocken. Auch der Wind hatte gedreht, und der frische Blutgeruch zog in feinen, aber deutlich wahrnehmbaren Witterungsfäden Richtung Meer.
    »Und wenn wir den Spatenstecker gefunden haben?«, fragte Heide nervös. »Was dann?«
    »Gerechtigkeit!«, blökte Othello.
    »Gerechtigkeit!«,blökten die anderen Schafe. Damit war es beschlossene Sache, dass die Schafe von George Glenn den gemeinen Mord an ihrem einzigen Schäfer aufklären würden.
     
    *
    Zuerst ging Miss Maple die Leiche besichtigen. Gerne tat sie es nicht. In der irischen Sommersonne hatte George schon begonnen, einen Verwesungsgeruch auszuströmen, der ausreichte, um jedem Schaf einen Schauer über den Rücken zu jagen.
    Anfangs umkreiste sie den Schäfer in respektvollem Abstand.
    Die Krähe krächzte missbilligend und flatterte auf schwarzen Flügeln davon. Maple wagte sich näher heran, betrachtete den Spaten, schnupperte an Kleidern und Gesicht. Schließlich – die in sicherer Entfernung zusammengeballte Herde hielt den Atem an – steckte sie sogar ihre Schnauze in die Wunde und wühlte darin herum. Zumindest sah es von weitem danach aus. Mit blutiger Nase kehrte sie zu den anderen zurück.
    »Und?«, fragte Mopple, der die Spannung nicht mehr aushielt. Mopple hielt Spannung nie besonders lange aus.
    »Er ist tot«, antwortete Miss Maple. Mehr schien sie im Augenblick nicht sagen zu wollen. Dann blickte sie in Richtung Feldweg.
    »Wir müssen bereit sein. Früher oder später werden Menschen hierher kommen. Wir müssen beobachten, was sie tun, aufpassen, was sie erzählen. Und wir sollten nicht so verdächtig herumstehen, alle auf einem Haufen. Wir sollten uns natürlich benehmen.«
    »Aber wir benehmen uns doch natürlich«, wandte Maude ein. »George ist tot und ermordet. Sollen wir etwa in seiner Nähe weiden, dort, wo das Gras noch mit Blut bespritzt ist?«
    »Ja. Genau das sollten wir tun.« Othello trat schwarz und entschlossen zwischen ihnen hervor. Er verengte die Nüstern, als er die entsetzten Gesichter der anderen sah. »Keine Angst, ich werde es tun. Ich habe meine Jugend neben dem Raubtiergehege verbracht, ein bisschen mehr Blut wird mich nicht umbringen.« In diesem Augenblick dachte Heide, dass Othello ein ganz besonders verwegener Widder sei, und beschloss, zukünftig häufiger in seiner Nähe zu grasen – selbstverständlich erst, wenn George verschwunden war und ein frischer Sommerregen die Wiese reingewaschen hatte.
    Miss Maple verteilte die Wachen. Sir Ritchfield, der trotz seines Alters noch gute Augen hatte, postierte sie auf dem Hügel.
    Von dort konnte man über die Hecken hinweg bis zur Asphaltstraße sehen. Mopple the Whale hatte schlechte Augen, aber ein gutes Gedächtnis. Er stand neben Ritchfield und sollte sich alles merken, was dieser beobachtete. Heide und Cloud überwachten den Fußpfad, der quer über ihre Wiese führte: Heide bezog Posten am Tor Richtung Dorf, Cloud dort, wo der Weg in einer Senke verschwand. Zora, ein schwarzköpfiges Schaf ohne Höhenangst, stellte sich auf einen schmalen Felsvorsprung an den Steilklippen und beobachtete von dort aus den Strand. Zora behauptete, dass es unter ihren Vorfahren ein wildes Bergschaf gegeben hatte, und wenn man sah, wie sorglos sie sich über dem Abgrund bewegte, konnte man es beinahe glauben.
    Othello verschwand im Schatten des Dolmengrabes unweit der Stelle, wo der Spaten George auf den Boden pinnte. Von dort konnte er bei Bedarf jederzeit unauffällig hervorweiden. Miss Maple nahm nicht an der
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