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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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gesprochen. Aber wie konnte George wissen, dass er sterben würde? Und warum war er dann nicht weggelaufen?
    Was Beth sagte, ergab keinen Sinn. Es war ein seltsames Erlebnis für die Schafe: Sie verstanden die Worte – es waren einfache Worte, Worte wie »Leben« und »Hoffnung« und »einsam«, aber was Beth mit diesen Worten meinte, verstanden sie kaum.
    Irgendwann gaben die Schafe auf. Es war anstrengend, sich auf die Worte zu konzentrieren, wenn sie den Sinn nicht verstanden. Nach einer Zeit war Beths Stimme für sie nicht mehr als eine traurige, leise Melodie.
    Sie trotteten verwundert zurück ins Dunkel, in die Ecke zu den anderen Schafen.
    »Wer ist denn nun der Mörder von George?«, fragte Mopple schließlich.
    Niemand antwortete.
    Dann hörten die Schafe ein Schnauben. Fosco stand hinter ihnen. Seine Augen glänzten fast ein bisschen zu hell, und sein Atem roch seltsam.
    »George«, sagte Fosco.
    Keines der Schafe reagierte auf das seltsame Echo.
    Dann fragte Zora sehr langsam und vorsichtig: »George ist der Mörder von George?«
    »Genau«, sagte Fosco.
    »Aber George ist tot«, sagte Zora. »George wurde ermordet.«
    »Richtig«, sagte Fosco.
    »George hat sich selbst ermordet?«
    »Richtig«, sagte Fosco wieder und sah auf einmal sehr eindrucksvoll und grau aus.
    »Sie lügt«, blökte Mopple, der das stinkende Tuch den weiten Weg bis zum Mad Boar getragen hatte, um den Mord an seinem Schäfer aufzuklären. »Sie will nur nicht zugeben, dass sie es getan hat.«
    Doch die Schafe konnten riechen, dass die barmherzige Beth nicht log. Kein bisschen.
    »Ist das verrückt?«, fragte Zora.
    »Nein«, sagte Fosco. »Das ist Selbstmord.«
    Selbst-mord. Ein neues Wort. Eines, das George ihnen nicht mehr erklären konnte.
    »Sie tun das manchmal – die Menschen«, sagte Fosco. »Sie sehen sich die Welt an und beschließen, dass sie nicht mehr leben wollen.«
    »Aber«, blökte Mopple, »Leben und Wollen – das ist doch das Gleiche.«
    »Nein«, sagte Fosco. »Bei den Menschen ist es manchmal anders.«
    »Das ist nicht besonders klug«, sagte Mopple.
    »Nicht?«, fragte Fosco. In seinen Augen lag ein Schimmer wie von taumelnden Glühwürmchen. »Woher willst du das wissen? Ich bin hier seit einigen Jahren dabei. Wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass es nicht einfach ist zu sagen, was klug ist und was nicht.«
    Niemand widersprach. Die Schafe schwiegen wieder eine Weile und versuchten zu verdauen, was sie von Fosco gehört hatten. Hinten im Saal hatte Beth aufgehört zu reden, und die Menschen blökten verstört durcheinander.
    Zora hob den Kopf.
    »Und der Wolf?«, fragte sie.
    »Der Wolf ist innen«, sagte Fosco.
    »Ist es wie ein Abgrund?«, fragte Zora. »Ein Abgrund innen?«
    »Mhm, wie ein Abgrund«, bestätigte Fosco.
    Zora dachte nach. In einen Abgrund fallen – das konnte sie sich vorstellen. Aber nach innen zu fallen?
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nichts für Schafe«, sagte sie.
    »Nein«, sagte Fosco. »Für Schafe ist das eigentlich nichts.«
    Miss Maple hatte lange geschwiegen, den Kopf schief gelegt, und nachgedacht. Jetzt schlackerte sie ratlos mit den Ohren.
    »Es ist herausgekommen«, sagte sie endlich. »Wir gehen nach Hause.«
    Die Schafe verabschiedeten sich von Fosco, der dunkle Dinge verstehen konnte und der zu Recht Jahr für Jahr zum klügsten Schaf von Glennkill gekrönt wurde. Sie trabten zum Hinterausgang, den Fosco ihnen gezeigt hatte. Erst Othello, dann Zora, dann Maple und schließlich Mopple the Whale.
    Gerade als Mopple erleichtert hinter Maple her ins Freie schlüpfen wollte, legte sich eine fleischige Hand auf die Tür und schob sie sanft vor seiner Nase zu.
    Mopple war in dem stinkenden Wirtshaus gefangen. Er erstarrte.
    Neben ihm hockte der Metzger, mit bleichem Gesicht und schmalen, zusammengekniffenen Augen. Die Räder seines Rollstuhls stanken nach Gummi. Mopple äugte verzweifelt nach allen Seiten. Diesmal gab es keinen Ausweg.
    Vor Schreck setzte Mopple sich auf den kalten Steinboden. Er saß in der Falle.
    »Du«, sagte der Metzger mit gefährlich leiser Stimme. »Du …?«
    Mopple the Whale zitterte wie Gras im Wind. Alles Fleisch, es war wie Gras.
    Hams Hand fuhr in einer unbeholfenen Geste durch die Luft. Mopple zuckte zurück. Einen Moment lang fürchtete er, die Hand könnte sich vom Arm des Metzgers lösen und ihn anspringen.
    Doch Ham nickte ihm nur zu, beinahe respektvoll. »Jetzt verstehe ich«, sagte er. »Jetzt weiß ich, dass ich das hier verdient
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