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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen
Autoren: Helen Hodgman
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hielten sie für herzensgut, anständig und leidgeprüft.
    Den Sohn hielten sie für einen armen kleinen Kerl, weil er mit so einem Vater gestraft war.
    In der Stadt, wo die Leute weltläufiger waren und sich so etwas vorstellen konnten, hieß es, Ben nehme Drogen.
    Es ging das Gerücht um, dass er mit seiner Schwester schlief.
    Man erzählte sich, wie er im Alter von dreizehn Jahren von zu Hause weggelaufen war. Eines Tages war er um Mitternacht verschwunden und es für Wochen geblieben. Seine verzweifelten Eltern hatten die gesamte Staatspolizei mobilisiert, um ihn zu suchen. Schließlich fanden sie ihn in den Central Highlands, wo er splitterfasernackt auf einer Lichtung saß und Wurzeln kaute. Danach kamen sie ihn abholen. Sie legten ihn auf Couchs, redeten mit ihm und verabreichten ihm Elektroschocks. Geholfen hatte es anscheinend nicht. So viel zur modernen Medizin, sagten die Leute.
    Komischer Kauz.
    Doch seine Bilder kauften sie, die Städter. Anfangs noch zögerlich, aber je exaltierter sein Benehmen, desto besser gingen seine Bilder. Dekorativer Wandschmuck. Ein Stück von ihm. Leicht skandalös. Ein Gesprächsthema.
    An diesem Tag war seine Frau bereits in ihrem verbeulten blauen Kombi weggefahren. Sie war Lehrerin an der Gemeindeschule. Ihren Sohn, der in die Vorschule ging, hatte sie mitgenommen. Sie musste arbeiten, um den Maler zu unterstützen, der unterdessen vom Erfolg und den schicken Privatgalerien des Festlands träumte, wo die Menschen mehr zahlten, weil sie es nicht anders gewohnt waren.
    Aber das sind alles nur Vermutungen. Gesprochen hat er mit mir nie über solche Dinge, ich musste sie mir zusammenreimen. Manchmal ärgerte ihn das, manchmal schien es ihn auch zu amüsieren, aber eigentlich war es ihm egal. Ich ertappte mich dabei, wie ich Geschichten über ihn erzählte, und zwar jedem, der sie hören wollte. Ich versuchte damit aufzuhören, aber ich konnte nicht. Er sagte nichts. Ich wusste, dass er wusste, was ich tat: mein Leben in seinem suchen.
    *
    Ich stieg aus dem Bus. Ben nahm seine Post entgegen. Wir gingen zum Haus, einem schönen, etwas heruntergekommenen alten Farmhaus aus der Kolonialzeit. Es gehörte ziemlich viel Land dazu, doch Ben bestellte es nicht. Die Farm gehörte seiner Schwester. Einen Teil des Landes hatte Ben an einen benachbarten Bauern verpachtet, der dort seine Schafe weidete, den Rest überließ er der Natur. Mitten durchs Grundstück lief ein Bach: Im Sommer ein tiefer Canyon mit steilen, harten Wänden aus roter Erde und unten ein paar brackigen Pfützen, trat er in der Regenzeit über die Ufer. Aus dem Bach hatte Ben Wasser für einen Teich abgezweigt, wo er sich zur Unterhaltung ein paar Enten hielt.
    Wir gingen ums Haus herum zum Hintereingang, der über eine kleine Holzveranda direkt in die Küche führte. Dort kochten wir Tee, mit dem wir uns an den großen Kiefernholztisch setzten. Wir drehten Zigaretten, rauchten und sahen uns nachdenklich in die Augen. Was wollte ich eigentlich hier?
    » Also dann, guten Morgen«, sagte er. » Komm, gehen wir.«
    Wir gingen ins Schlafzimmer, in dem zwei Einzelbetten standen. Anfangs hatte ich das als Zeichen gedeutet: eine schlechte Ehe, im Schlafzimmer stimmte es nicht, und dort begannen laut meiner Mutter alle Probleme. Aber in diesem Fall irrten meine Mutter und ich. Er klärte mich auf.
    » Wenn man zusammen schläft, kuschelt man sich automatisch aneinander, oder? Schön gemütlich. Mmm. Was daran schlecht sein soll? Dass es einen irgendwann nervt. Das ständige Berühren stumpft ab. Und dann will man nicht mehr so viel ficken. Stimmt’s?«
    » Stimmt.«
    Er schwang Reden. Gab Hinweise, die ich später entschlüsseln wollte.
    » So ist es besser. Man geht bewusster zusammen ins Bett. Wenn man es wirklich will. Das ist gut. Echt scharf. Das werden die besten Nummern.«
    » Wirklich?«
    » Ja, echt. Versuch’s mal. Aber vielleicht würde es dir nicht gefallen. Zu direkt für dich. Du bist so verdammt willenlos. So weich .« Er zog das Wort in die Länge und lächelte dabei. » Außen weich, aber irgendwo da drinnen steinhart. Ganz schön fies.«
    » Setz deine Brille auf, und hol dir was Schönes aus der Truhe«, sagte er. » Ein bisschen alter Samt wäre nicht schlecht.« Er ging zu seinem Bett und schob es von der Wand weg in die Zimmermitte. Ich zog mich aus. Es war fürchterlich heiß hier drinnen. Irgendwann hatte die Fensterfarbe vor Hitze Blasen geworfen, jetzt klebten die Läden fest und ließen sich nicht
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