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Glauben Sie noch an die Liebe

Glauben Sie noch an die Liebe

Titel: Glauben Sie noch an die Liebe
Autoren: Jan Philipp Burgard , Justus Bender
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erfassen und in seine Welt der Schriftstellerei hineinziehen, wenn wir es nur zuließen. Jedes Wort legt er sich mit größter Sorgsamkeit zurecht, und er muss nicht einmal die Lautstärke modulieren, um seinen Worten Gewicht zu verleihen, ihm gelingt das allein durch präzise Artikulation und variantenreiche Betonung. Ihm gelingt das auch durch seinen Blick, über den tiefen, dunklen Rändern strahlen seine Augen besonders kräftig. Aus ihnen spricht diebische Freude, wenn er spürt, dass uns seine Ansichten überraschen oder verunsichern, dass sie uns manchmal sogar Angst machen. Aber es strahlt auch ein feierlicher Ernst aus diesen Augen, wie er sich bei einem großen Bruder beobachten lässt, der gerade etwas mit seinen jüngeren Brüdern teilt, das sie bis ans Ende ihres Lebens nicht vergessen sollen.
    Auch wenn Feridun Zaimoglu viele Kraftausdrücke verwendet, klingen seine Ansichten niemals stumpf oder leichtfertig wie die eines Machos. Und trotz ganzer Salven von »Scheiße« und »Arsch« lässt er auch keinen Zweifel daran, dass er ein Meister der Sprache ist, der alte und seltene Begriffe liebt und noch lieber neue Begriffe schafft. Kein »Werbebanner der Brunst« sei er, das Wort »Macho« wäre ihm viel zu profan.
    Wir hören ihm von seiner Couch aus zu. Vor uns steht ein Kasten mit bunten Stiften, er ist so groß, dass ein ganzer Kindergarten seine Freude daran hätte. Über unseren Köpfen hängen an der Wand einzelne Podeste, auf denen Gartenzwerge thronen. Ausgerechnet Gartenzwerge! Feridun Zaimoglu verabscheut doch das Bürgertum – und das Spießige sowieso. Aber er versichert uns, dass er diese Zwerge wirklich liebe, seit seinem neunten Lebensjahr. Das Glänzende, das Bunte, dieser Kinderkram mache ihm gute Laune.
    Er spricht von seinem Schreibtisch aus zu uns. Während wir in der Couch etwas einsacken, sitzt er auf dem Schreibtischstuhl eine Armlänge höher, was ihm zusätzliche Autorität verleiht. Neben Zaimoglu steht seine weiße AEG Olympia Carrera, die elektrische Schreibmaschine. Er hat keinen Computer und kommuniziert nicht über das Internet. Seine Texte schickt er per Fax an die Verlage. Auch seinen neuen Roman, der zum Zeitpunkt unseres Besuchs noch den Arbeitstitel »Isabel« trägt, hat er auf dieser Schreibmaschine geschrieben.
    Ist es nicht es nicht langweilig, alleine zu leben, könnte eine Frau unter diesem Dach Sie nicht auch inspirieren?
    Ich langweile mich nicht, ich sehne mich nach Liebe, nach schönen Frauen. Ich liebe sie. Ich liebe es, wie sie gehen, wie sie sprechen, wie sie riechen, ich liebe ihre Unehrlichkeiten, ich liebe all das. Ich bin hundertprozentig für Frauen. Wenn jemand sagen würde: »Er duldet keinen in seinem Leben«, mag sein. Und es mag sein, dass dann jemand kommt und sagt: »Na ja, es ist ja nicht so. Die Frau würde ja auch arbeiten, sie hindert dich doch nicht.« Und da fängt die Unehrlichkeit an, wenn man sagt: »Ja, stimmt eigentlich.« Es stimmt nicht. Ich habe die Vorstellung, entweder mache ich die Scheiße hier ganz oder gar nicht. Ich mache das hier mit Heißhunger und Heißblut und auch mit furchtbarer Melancholie.
    Das klingt ein wenig nach einem Leben in der Mönchszelle.
    Ich habe keine mönchische Einstellung, dafür liebe ich das Leben und das Saufen und das Schlafen mit Frauen viel zu sehr, es ist wunderbar. Aber was ich um keinen Preis opfern würde, ist, was mich ausmacht: die Bücher, die Bilder, die Zeichnungen. Ich würde verfallen und zerfallen.
    Auch wenn diese Frage etwas banal klingt: Lieben Sie Ihre Bücher, Bilder und Zeichnungen stärker, als Sie eine Frau lieben können?
    Das muss so sein, sonst würde es mich ja nach anderen Dingen verlangen, nach einer Frau oder einem Kind, es würde mich nach Beständigkeit verlangen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich kein grundsätzlicher Befürworter dieser instabilen Verhältnisse bin, ich kann aber für mich nur feststellen, dass ich das, was ich mache, liebe, mit all den Konsequenzen. Meine Arbeit war auch objektiv mehrfach ein Trennungsgrund, denn die jeweilige Frau war so nett und hat es einige Zeit angeguckt und ausgehalten und dann aber gesagt: »Ich habe keinen Platz in deinem Leben.«
    Sie bezeichnen David, den Protagonisten in Ihrem Roman »Liebesbrand«, als Egoistenschwein. Kann es sein, dass Sie selbst etwas egomanisch sind?
    Er ist schlimmer, dieser Exbörsenmakler denkt: »Hey, ich habe Feuer gefangen, hey, ich will es wissen, und es geht nach meinem Plan!«
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