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Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Titel: Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Autoren: Mark Zak
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seinen Handys ging nur die Mailbox an. Auf der Rückfahrt ins Hotel hielt Josif an einer Tankstelle an (»Entschuldige, Alina, ich bekomme Durchfall, und übel ist mir auch. Das muss der Kaiserschmarrn gewesen sein, den ich gestern mit deinem Mann gegessen habe«) und ging auf die Toilette. Dort versuchte er, Romanowitsch und seine zwei Bodyguards zu erreichen, doch niemand ging ans Telefon. Zerrissen zwischen der Männersolidarität auf der einen und dem berufsbedingten Pflichtgefühl auf der anderen Seite (oberste Priorität hatte natürlich die Aufgabe, die Familie des Oligarchen keine Sekunde aus den Augen zu lassen), kehrte er nach einer Viertelstunde zum Auto zurück und fuhr ins Hotel. Dort angekommen, gingen Josif, Alina und das Kind zum Aufzug. Der Aufzug kam, die Tür öffnete sich, und Alina erblickte zuerst die beiden Bodyguards. Hinter ihren breiten Schultern entdeckte sie ihren Mann im Kimono. Die zwei jungen Frauen sah Alina erst auf dem Weg nach oben, weil sie zwischen Romanowitschs Beinen unter dem Kimono knieten und ihm die Fahrt versüßten. Der Ausflug nach Mailand wurde ersatzlos gestrichen. Wie sich herausstellte, war Romanowitsch nicht erreichbar gewesen, weil er mit den Studentinnen in der Sauna im Kellergeschoss saß und dort keinen Empfang hatte. Seine zwei Bodyguards hockten davor.
    Alina reiste noch am selben Tag nach London ab. »Die Scheidung wird mich sieben Milliarden mehr kosten als die Bankenkrise«, seufzte Romanowitsch und behielt später auf die Milliarde genau recht. (Bei der Bankenkrise hatte er nachweislich keine Verluste gemacht.) Er zahlte Josif aus und schenkte ihm zum Abschied den hellen Anzug, den Kimono und die zwei Studentinnen – alles Dinge, die ihm an diesem Tag kein Glück gebracht hatten. Die Kleider nahm Josif an, die Mädchen schickte er nach Hause; die Ereignisse dieses Tages hatten auf ihn keine aphrodisierende Wirkung ausgeübt.
    Lang, lang war es her. Die letzten Jahre liefen nicht so gut. Die Sache mit dem Oligarchen hatte sich herumgesprochen. Auch wenn Josif keine Schuld traf, wurde er von den meisten Auftraggebern gemieden, Aberglaube gehört bei den Neureichen zu den meistverbreiteten Eigenschaften. Er hatte nur kleine Aufträge, so was wie die Überwachung der Schwarzgeldübergabe bei Geschäftsabschlüssen, Vermittlung bei Nichtauszahlung des vereinbarten Lohns für Schwarzarbeit auf dem Bau oder Beschattung des Ehepartners im Auftrag des eifersüchtigen Gatten.
    »Josif, hast du keinen Hunger?«
    Silvia aß langsam und gleichmäßig. Sie hat es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Bissen mindestens 20 Mal zu kauen.
    Josif hielt das Telefon in der Hand und überlegte, ob er Judith anrufen sollte.
    Judith stand etwas abseits von den Kollegen am weit geöffneten Zauntor vor dem Theatergelände. Die Straße war weiträumig abgesperrt. Ein paar Schaulustige standen hinter der Absperrung und schauten der in solchen Fällen üblichen Betriebsamkeit zu. In und vor dem bis auf die Grundmauern abgebrannten Gebäude wurden Spuren aufgenommen. Mehrere Polizeiautos und ein Leichenwagen parkten vor dem Tor. Judith sah Sandini, der wie ein Gespenst vor dem Haus herumschlich. An einer über 100 Jahre alten Eiche, die vermutlich noch sein Großvater gepflanzt hatte, blieb er stehen und übergab sich. Jan Babbel ging leicht humpelnd zu Judith hinüber. Es nieselte. Doch die kühlen Tropfen auf ihrem Gesicht störten sie weit weniger als die warme Flüssigkeit, die durch die Unterhose an ihrem Oberschenkel heruntersickerte. Um kurz vor sechs hatte das Telefon geklingelt. Sie hatte weder gefrühstückt noch geduscht und – das war das Ärgerlichste – ihre Tasche zu Hause liegen lassen, in der sie immer einen Notfalltampon aufbewahrte.
    »Du siehst ganz schön mitgenommen aus.« Jan war gnadenlos ehrlich. »Die Bürotür war abgeschlossen. Pechstein hatte keine Chance, zu entkommen.«
    »Jan, ich muss mal … Bin in zehn Minuten zurück.«
    Das Toscanini war das nächste Lokal, das am Ostersonntag um diese Zeit mit Sicherheit geöffnet hatte.
    Judith hatte es sich antrainiert und inzwischen zum unumstößlichen Prinzip gemacht, in allen Situationen bei den eigenen Gefühlen und Gedanken kompromisslos nach Klarheit und Ehrlichkeit zu suchen. So musste sie sich auf dem Weg zum Toscanini eingestehen, dass sie über ihre einsetzende Periode nicht erleichtert, sondern enttäuscht und traurig war. Dass sie solche Gefühle hatte, ärgerte sie. Es gab kein einziges logisches
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