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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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einem spitzen Finger leicht in die Brühe und ein schwacher Ring wippte in dem milchigen Sud, »… stammt aus einem sehr netten Laden in England. Ich habe sie vor wenigen Tagen erhalten. Sie liefern die Mandragoren bereits reif und fertig geschnitten. Praktisch, wie ich finde. Ich habe gehört, sie kreischen ohrenbetäubend, wenn man sie in Ringe hobelt.«
    Gerade als ich die zu lange angehaltene Luft ausstoßen wollte, umfasste meine Herrin eine ihrer feinen Hutnadeln von einem der kleinen verzierten Minizylinder auf der Ablage und stach sich mit einer blitzartigen Bewegung in das eigene Handgelenk. Sogleich perlte ein kleiner Tropfen ihres dunklen Blutes hervor. Es wirkte wie ein Riss in einer sündhaft wertvollen Vase und ich sog hastig die angehaltene Luft noch tiefer ein.
    »Die Mandragora beherbergt ein Enzym, das den Verfall der Körperzellen verlangsamt. Allerdings nur bei richtiger Behandlung. Ansonsten ist sie einfach nur tödlich.«
    Ihre Stimme klang nun rau, beinahe mechanisch. Sie hielt ihren Unterarm über die Porzellanschale und ballte die Hand zur Faust. Der Bluttropfen löste sich und vermischte sich mit dem Schlick.
    »Und wie …« Ich räusperte mich, als meine Stimme krächzend hervorkam. »… und wie genau schafft man es, dass sich diese Wirkung im Körper entfaltet?«
    Leider wusste ich die Antwort bereits, hoffte allerdings, dass sie aus ihrem Munde ein bisschen weniger ekelig klingen würde. In kleinen Tropfen landete das Blut auf dem Brackwasser, ohne sich aufzulösen, und ging schließlich wie ein hellroter Kiesel darin unter.
    Meine Herrin sah mich lächelnd an. »Man isst sie.«
    Sie rührte mit der Hutnadel (an deren Ende ich einen winzigen Totenschädel erkannte, der einem Hermelin oder einem ähnlichen, nur beinahe nutzlosen, Geziefer glich) ein wenig darin herum, und bot mir die Schale dar, damit ich eine Scheibe der welken Rübe herausnehmen sollte.
    »Meine Herrin … ich, ähm … denke, Ihnen gebührt der erste Bissen«, erwiderte ich mit brüchiger Stimme und versuchte ein Lächeln.
    Ihre Augen verengten sich hinter der Spitze leicht und ihr Mund wurde noch eine Spur kleiner. Eilig fischte ich die zuoberst liegende Scheibe heraus und stopfte sie mir, ohne zu zögern, in den Mund.

    Kaum eine Stunde später schwamm meine inzwischen pelzige Zunge noch immer in einem süßlich metallischen Geschmacksbad aus schlammigem Knollenaroma und Blut. Meine Herrin, Lady Amaranth, hakte sich elegant bei mir unter, indem sie lediglich ihre zarten Fingerspitzen auf meinem angewinkelten Unterarm ablegte. Ich hatte ihr aufgeholfen und musste nach vollendetem Werk die Augen niederschlagen, so wundervoll und perfekt sah sie aus.
    Als sie nach ihrem Rettichhappen den seidenen Kimono achtlos auf den Hocker niedergleiten ließ, erwartete sie stumm von mir, dass ich ihr wie einst beim Ankleiden helfen sollte. Sie trug bereits ein schwarzes Spitzenhöschen, das sie hoch über ihren Hüften mit dünnen Bändern zusammengebunden hatte und schwindelerregend hochhackige, sehr spitze Schuhe aus schwarzem Lack – was mich erneut an Giniver denken ließ. Wie sehr sie mir doch fehlte! Ich schnürte sie in ihr violettfarbenes Spitzenkorsett. Dabei senkte ich wie immer respektvoll die Augen. Sie deutete auf einige Kleidungsstücke, in die ich ihr hinein half, nachdem ich sie so stark geschnürt hatte, dass ich ihre Taille mit beiden Händen locker hätte umschließen können. Unwillkürlich gedachte ich Eirwyns weiblichen Rundungen und der Korsage, die ich sie in jener Nacht hatte ablegen sehen. Ich legte für meine Lady einen wundervollen fließenden Rock aus einem zarten violetten Stoff auf den Boden, damit sie hineinsteigen konnte. Er floss wie Wasser zwischen meinen Händen und ich hatte Mühe, ihn nicht entgleiten zu lassen. Sie stieg elegant hinein und ich schloss mit zittrigen Fingern Hunderte winzige, stoffumwirkte Knöpfe bis hinauf zu ihrer Taille. Es folgte eine korsagenähnliche Bluse in gleichem Farbton und mit lieblichen Puffärmeln, die ich so eng wie möglich band. Dann klappte ich das Revers nach oben und steckte die angesetzte Manschette über ihrer hochgeschnallten Brust mit einer Gemme zusammen. Zuletzt schlang ich ihr einen endlos langen, durchscheinenden violetten Schal um die langen Arme.
    Sie wandte sich mit kühlem Blick zu mir um und ich trat einen Schritt zurück, um sie zu begutachten. Es raubte mir den Atem, wie sie, gleich einem feenartigen Wesen, denn einer Brautmutter, vor mir
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