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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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Schmerz und Überraschung die Luft zwischen die Zähne. Eirwyn lächelte mir liebevoll zu, als sie mich passierte. Das lange schwarze Haar ringelte sich in weichen Locken über ihren Rücken, die obere Haarpartie war locker am Hinterkopf hochgesteckt. Unzählige weiße Perlen glänzten in der dunklen Haarflut. Wie zwei schmale Elfenflügel wehte der lange Hauch ihres Schleiers hinter ihr her, der am Pelzkragen mit winzigen silbrigen Knöpfen befestigt worden war. Die Gäste seufzten schwärmerisch und einige verneigten sich sogar leicht vor ihr. Ihre glänzenden Augen ruhten jedoch stets auf dem Bräutigam, der atemlos vor dem Altar auf sie wartete. Keine Spur mehr von dem Ärgernis, dass er sie noch vor wenigen Stunden zur Weißglut gebracht hatte. Kieran senkte den Kopf und bedeckte die Augen leicht mit den Fingerspitzen. Ich meinte, Tränen in den hellen Augen zu erkennen. Er ging ihr einige Schritte entgegen und sie ergriff seine ausgestreckte Hand. Die gesamte Zeremonie über sahen sie sich in die Augen und Übelkeit stieg in mir auf. Zuerst gelobte der Bräutigam heiser ewige Liebe und Aufopferung, danach hauchte auch die atemberaubende Braut ihren Schwur. Alles war sehr romantisch.
    Währenddessen schien die Lady sich kaum für die Trauung zu interessieren und fixierte stattdessen ihren Gatten. Ehrlich gesagt, störte es mich sehr und ich zwang mich, selbst wieder dem eigentlichen Geschehnis zu folgen. Endlich küssten sich die frisch Vermählten lange und innig und besiegelten damit den ernsthaftesten Tanz ihres restlichen Lebens. Als sie sich unter dem Jubel der Anwesenden langsam voneinander lösten, glitzerte die Luft wie von Tausenden, federweichen Elfen. Und es wurde alles noch ekelerregend romantischer. Zaghaft streckte ich die Hand aus und eine winzige Schneeflocke schwebte darauf. Alle blickten gen Himmel. Es war ein äußerst symbolträchtiges Schauspiel, als der reine Schnee uns umhüllte. Und dennoch, nach langen Jahren der eiskalten, widerwärtig grauen Schneeregenschauer, der grellen Blitze um Mitternacht und der stürmischen, klammen Abende, war der makellose, reinigende Winter endlich zu uns zurückgekehrt.

    Wild wirbelte ich die Schöne durch den Pavillon, ohne meine Augen von ihr zu nehmen. Ihr Lächeln sprach ihr zwar direkt aus dem Herzen, doch ich fühlte mich wie in einem Rausch aus Freude und Angst. Etwas an ihr erschien mir fremd und … kalt. Etwas, das ich sonst von ihrer Mutter über die letzten Jahre zu Genüge kannte. Kein Zweifel, dass sie ein Geheimnis umgab; eines, welchem sie noch nicht gestattet hatte, sich zu zeigen. Der Hochzeitsball war großartig, keine Frage. Gänzlich fröhlich, trotz der ungeselligen Familienanhängsel aus der Stadt, ebenso arrogante wie tumbe Auswüchse des Stammbaums der Amaranths, wie man es von den Reichen eben gewohnt war. Sie ließen sich kaum je blicken, wenn nicht unbedingt ein verschwenderisches Bankett angekündigt war. Und da die Hochzeit ohne viel Prunk und Pomp gefeiert wurde, war ich mehr als verwundert, sie hier alle versammelt zu sehen.
    Eirwyn hatte wenig davon gewünscht – von beidem, Prunk und Familie. Die Harfenistinnen und Violinistinnen spielten schwungvoll zum Tanze. Beim ersten Tanz des Brautpaares hatte sich die Brautmutter mit einem Glas Weißwein zurückgezogen. Kieran hatte seine Braut liebevoll im Arm gehalten und ihr dabei etwas ins Ohr geflüstert. Eirwyns Vater wischte sich stolz eine Träne aus dem Augenwinkel. Vater, Tochter und Schwiegersohn hatten zusammen heißen Rotwein getrunken und in meiner gewohnten Rolle als stiller Beobachter meinte ich, eher einer Verschwörung denn einer Versöhnung beizuwohnen. Stoisch boten meine neuen Servants Erfrischungen aller Art an und ich nutzte den Moment, um meiner Stellung als Valet nachzukommen. Ich fühlte mich wohl, wenn auch etwas einsam, da meine Freundin nicht bei mir sein konnte, die noch am Tag zuvor zur selben Stunde in ihr einsames Grab beigesetzt worden war. Doch diese Einsamkeit enthielt nichts als Wehmut und nur mehr eine feine Spur des quälenden Schmerzes, was mich verwunderte und erschreckte. War ich wirklich so herzlos, so kalt geworden? Es gar schon immer gewesen? Daher fasste ich mir alsbald ein Herz, stellte mein Tableau fort und forderte meine Lilie zum Tanz. Kieran gab natürlich eine seiner neu angeeigneten, reißerischen Ehegattenpossen zum Besten, von denen wir wohl in Zukunft nicht hoffen konnten, verschont zu bleiben; doch ich lächelte nur und
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