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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Und nun würde er es wiederum verletzen müssen, wenn er nämlich nicht tat, was seine Pflicht wäre: die ganze Wahrheit auf den Tisch legen. Armer Kerl, dachte sie. Egal, wie er sich entschied: Am Ende wäre es immer verkehrt.
»Liefere Bruno nicht aus«, sagte sie leise, als sie in der Tür stand. »Du würdest es dir nie verzeihen.«
Dann machte sie sich auf den Heimweg.
Draußen empfing sie eine erstaunlich friedliche Nacht. Cecilia schätzte die Zeit auf zwei Uhr, aber es war zu dunkel, um das Ziffernblatt am Uhrenturm zu erkennen. Als sie an die Via Fiesolana kam, bog sie nach rechts ab, statt geradeaus weiter zu ihrer Wohnung zu gehen. Sie war todmüde und gleichzeitig hellwach, und sie wusste, dass sie keinen Schlaf finden würde. Ich kann hier nachts allein entlangwandern, dachte sie. Es ist vorbei.
Langsam erklomm sie die Treppchen in den Gassen. Sie ging an der Apotheke vorbei, durch dessen Fenster sie das Skelett des Haifischs erkennen konnte, und dann zur Kirche SS. Iacopo e Filippo hinauf und von dort zum Bleichplatz. Hier oben konnte sie über ein Mäuerchen ins Tal bis zu den Häusern von Nievole sehen.
Es tat gut, im Wind zu stehen. Sogar der Nieselregen war ihr recht.
Sie dachte an Inghiramo, an sein merkwürdiges Angebot, ihr eine Villa in Neapel zu kaufen. Man stelle sich vor, er hätte mir das vor einem Jahr angetragen, überlegte Cecilia und schauderte bei der Vorstellung, wie sie bleich geschminkten Männern lauschte, die sich an Witz überboten und neidvoll darüber wachten, dass ihnen kein Bonmot die Aufmerksamkeit stahl. Und die der Signorina Barghini gern einmal ein schlüpfriges Angebot machten, weil ja jeder wusste, dass die Dame zu haben war.
So was, dachte sie und fuhr mit dem Finger über den Mauerfirst, auf dessen rauer Fläche der Regen kleine Seen hinterlassen hatte.
Inghiramo tat ihr leid, aber sie achtete sorgfältig darauf, nicht an seinen Tod zu denken. Sie musste kein Dottore Billings sein, um zu begreifen, dass sie Zeit brauchen würde, ehe sie sich gefahrlos der Erinnerung der vergangenen Stunden würde stellen können. Nichts überhasten. Daran musst du auch denken, Rossi, dachte sie – nichts überhasten.
Es musste noch später sein, als sie vermutet hatte, denn als sie den Kopf drehte, bemerkte sie einen hellen Schimmer am östlichen Horizont.
Seufzend wandte sie sich zu dem Pfad, wo normalerweise die Dienstmädchen die schweren Wäschekörbe ihrer Herrschaft trugen. Sie sah das neben der Bleichwiese liegende Haus der Stadtwäscherin, in dessen Garten hölzerne Waschzuber wie Schildkröten lagen.
Schließlich stand sie vor ihrem Haus. Sie öffnete das Ridikül, das sie im Wald wieder aufgelesen und von einer Wohnung zur nächsten geschleppt hatte. Rossi hatte ihre Pistole zurückgepackt, und sie fühlte das kalte Eisen an ihren Fingerspitzen. Der Schlüssel hatte sich in einer Ecke des Beutelchens verkrochen.
Plötzlich gewann die Müdigkeit überhand. Cecilia gähnte und schloss auf. Langsam schritt sie die inzwischen vertrauten Stufen hinauf. Sie drehte den Schlüssel erneut und stand in ihrem Flur. Einen Moment überlegte sie, ein Licht zu entzünden, aber sie hatte keine Lust, darum ein Aufhebens zu machen. Also tastete sie sich mit den Füßen zum Schlafzimmer. Fort mit den Schuhen. Fort mit den zerdrückten Poschen.
Mit einem Stoßseufzer ließ sie sich auf das Bett sinken und starrte an die Decke.
Endlich daheim.
Nun ja, wirklich leiden konnte sie das Zimmer immer noch nicht. Der Geruch der alten Signora Secci hielt sich in den Teppichen und Wänden wie der Rauch in Rossis Speisezimmer. Aber es tat unendlich gut, sich auszustrecken und frei zu sein von der Notwendigkeit, irgendetwas zu tun.
Sie blickte zum Fenster, doch die Sonne ging auf der anderen Seite der Wohnung auf, und so konnte sie nicht mehr erkennen, als dass die Dunkelheit nachließ.
Müde drehte sie sich auf die Seite.
Licht …
Sie sah, wie unter dem Türblatt ein gelber Schatten auftauchte. Ohne sich zu rühren, starrte sie auf den Schimmer. Ein Lichtstreifen, der an dem Spalt zwischen Dielenboden und Tür entlangglitt. Als würde jemand in ihrem Flur eine Kerze tragen. Nun bin ich wirklich verrückt …
Sie spürte, wie sich die Härchen ihrer Haut aufrichteten. Licht … Licht, das sich bewegte. Da draußen war jemand … Atmen … Aber sie atmete ja. Unternimm etwas ! Nur war sie zu erschöpft, um sich zu irgendetwas aufzuraffen. Es ging nicht mehr … Sie hatte zugesehen, wie Menschen auf
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