Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GK099 - Das Bildnis des Samurai

GK099 - Das Bildnis des Samurai

Titel: GK099 - Das Bildnis des Samurai
Autoren: A.F.Morland
Vom Netzwerk:
sie sich einen Dolch an den Bauch und schlitzt sich vor Ihren Augen auf. Meinen Sie, dass Sie sofort richtig schalten würden, wenn Ihnen das passieren würde, Kommissar? Ich wage daran zu zweifeln. Wenn aber doch, dann sind Sie wesentlich abgebrühter als ich. Wie hieß die Kleine eigentlich?«
    »Michiko Yamato.«
    »Ach ja. Jetzt erinnere ich mich wieder. Michiko hat sie, glaub' ich, mal gesagt. Ich hab's gleich wieder vergessen. Ich nannte sie bloß Baby. Der Einfachheit halber sage ich das zu allen Mädchen, mit denen ich… Naja.«
    Mey trank seinen Orangensaft aus.
    »Warum hat sich das Mädchen das Leben genommen, Mr. Mey?«, fragte der Kommissar nach einer Weile ernst.
    Die Hotelbar war gut besucht. Man hatte - so gut es ging - vertuscht, was passiert war.
    Mey zuckte die Schultern.
    »Was weiß ich. Unglückliche Liebe vielleicht.«
    »Zu Ihnen?«
    »Zu mir doch nicht!«
    »Warum beging Michiko dann aber vor Ihrer Tür Harakiri?«
    »Ich schwöre Ihnen, wenn ich das wüsste, würde ich es Ihnen sagen. Aber ich habe keinen blassen Schimmer«, seufzte James Mey.
    Mey schnippte plötzlich aufgeregt mit den Fingern.
    »Hypnotisiert! Das ist es! Genauso sah sie aus. Wie in Trance.«
    »Haben Sie schon mal jemanden gesehen, der hypnotisiert war, Mr. Mey?«
    »Ja. Auf 'nem Jahrmarkt bei uns zu Hause. Ich gehe jede Wette ein, dass Michiko Yamato unter Hypnose stand, Kommissar. Darf ich mal einen Vorschlag machen?«
    »Sehr gern.«
    »Sie sollten Nachforschungen anstellen, wo sich Michiko heute herumgetrieben hat. Ich meine, sie muss mit irgendjemandem zusammen gewesen sein, der sie dann hypnotisiert hat. In Trance ging sie zu mir und schlitzte sich den Bauch auf. Ein grauenvoller Tod. Ich weiß nicht, ob Sie das schon mal von Anfang an mit angesehen haben…«
    »Ich habe.«
    »Scheußlich, was?«
    »Ja, Mr. Mey. Es ist scheußlich.«
    »Warum macht ihr so etwas?«
    »Es würde zu weit führen, Ihnen die Einstellung der Japaner zum Tod zu erklären. Tod und Selbstmord genießen in unserem Land eine Art Sonderstellung.«
    »Kamikaze. Ich weiß.«
    »Werden Sie noch in Tokio bleiben, Mr. Mey?«
    »Leider ja. Ich muss trotz allem weiter arbeiten, obgleich ich lieber heimkehren würde, nach diesem schauderhaften Erlebnis. Auf jeden Fall lasse ich mir aber von der Hotelleitung ein anderes Zimmer geben. Über die Schwelle dort oben setze ich meinen Fuß nie wieder.«
    Kommissar Nobunaga nickte mit einem dünnen Lächeln.
    »Das kann ich verstehen. Sollte ich noch Fragen an Sie haben…«
    »Ich wohne hier. Sie können jederzeit kommen.«
    »Vielen Dank, Mr. Mey.«
    »Ich bitte Sie. Wofür danken Sie mir?«
    ***
    Auf dem Vergnügungssektor wird in Tokio so ziemlich alles geboten, was man sich vorstellen kann.
    Im Stadtteil Asakusa, einer Mischung von Jahrmarkt und St. Pauli, stehen riesige Theaterpaläste, in denen kimonobekleidete Mädchen zu den Rhythmen heißer Musik Striptease aufführen.
    Die großen Säle sind gerammelt voll, größtenteils mit Arbeitern, die direkt vom Arbeitsplatz hierher kommen, die Aktentasche noch unterm Arm, um sich mit todernstem Gesicht für zwei oder drei Stunden diese Entkleidungsrevue anzusehen.
    Kommissar Nobunaga brauchte volle zwei Tage, bis er Michikos Schwester Mitsuko Yamato ausfindig gemacht hatte.
    Sie arbeitete im Show Boat. Dieses im Herzen von Tokio gelegene Riesenlokal ist bei den ausländischen Besuchern am beliebtesten.
    Es verfügt über genau dreihundertfünfundsechzig Tanzmädchen - für jeden Tag des Jahres eine andere, aber alle mit der gleichen lockeren Moral.
    Eines dieser Girls war Mitsuko Yamato.
    Mitsuko nahm die Nachricht vom Tod ihrer Schwester beinahe gelassen hin. Sie weinte nicht, zeigte keinerlei Schmerz.
    Sie war neunzehn.
    Aber ihr Körper war noch nicht voll entwickelt. Er hatte noch etwas Eckiges, noch nicht ganz Gelöstes. Vielleicht war es aber auch nur die körnige Haut, die ihn so kindlich erscheinen ließ. Sie hatte harte Knie und Waden, und nervige Oberschenkel, die nur zu einem Drittel von einem roten Kleid bedeckt waren.
    »Verrückt, sich das Leben zu nehmen«, meinte Mitsuko mit tief gezogenen Mundwinkeln. »Ich würde so etwas nie tun.«
    »Meinen Sie, dass sie es wegen eines Mannes getan hat?«, fragte der Polizist.
    »Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.«
    »Sie kennen keinen Grund?«
    »Wir hatten keinen sehr guten Kontakt.«
    »Sahen Sie Michiko oft?«
    »Zweimal die Woche. Zumeist stritten wir dann.«
    »Weshalb?«
    »Weil wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher