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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma
Autoren: Douglas Coupland
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Körper sieht aus wie eine Kritzelei auf einem Telefonbuch. »Ich bin froh, daß ich aufgewacht bin«, ruft sie. »Die Welt ist so schön, und die Zukunft war so interessant. Aber ich werde in meinen Träumen wach sein. Ich werde von euch allen träumen. Gute Nacht, Leute!« Dann herrscht Stille. Ich wende meinen Blick denen zu, die zurückbleiben, erstarrt angesichts des rasanten Laufs des Lebens und seiner Ereignisse. »Für euch anderen ist es jetzt auch Zeit zu gehen. Wendy, Linus und Megan, Ham und Pam - ihr geht ins Krankenhaus. Richard, du steigst hinunter in den Canyon. Wenn ihr eure Plätze erreicht habt, sitzt bitte still. Sobald Karen auf dem Gipfel ist, werdet ihr eure Welt zurückhaben.«
    Ich halte inne. »Auf Wiedersehen, Männer. Auf Wiedersehen, Frauen. Denkt an mich.“
    »Auf Wiedersehen, Jar-«
    Und dann bin ich fort, hinuntergesunken in den Beton des Damms, und ich verabschiede mich fürs erste aus ihrem Leben. Doch auch ich habe eine geheime Aufgabe. Auch ich bin Teil des Plans B. Mein Job ist es, hier auf dieser kahlen und jetzt leeren Erde zu bleiben und Jahre um Jahre - Jahrzehnte gar - auf ihrem unheiligen Kadaver umherzustreifen so lange, wie Karen im Koma liegt. Das ist die Wahl, die ich treffen mußte. Ich würde es wieder tun. Gott.
    Es sieht also ganz so aus, als würde ich die nächsten fünfzig Jahre hier nackt die Straßen entlanglaufen. Ein paar Pornos lesen, ein paar Videos gucken. Morgen regnet es vielleicht Spinnen oder Batteriesäure - ich werde immer noch hier sein. Und ein paar Jahrzehnte lang keine Rendezvous, außer mit Fräulein Faust, ich kann nichts dafür, wenn ich da weich werde.
    Ich sehe die anderen und spüre dabei, wie sich mein Leben aus dem ihren zurückzieht. Megan und Linus sitzen in der Wartezone, während draußen das Licht heiß und weiß flimmert. Der Eingangsbereich des Krankenhauses ist mit zahllosen ledrigen Skeletten übersät, aber weder diese Knochen noch die dröhnende Stille machen ihnen etwas aus.. »Ich fühle mich immer noch schwanger«, sagt Megan. »Jane ist immer noch hier. Vier Stunden alt. Sie ist jetzt ein Zellklumpen, wie ein Basketball, wie Brotteig - stell dir das mal vor, Linus.«
    Irgendwo auf einem Gang klappert etwas.
    »Schau dir all diese Menschen an«, sagt Linus. »Sie werden bald wieder richtige Menschen sein.«
    Megans Gesicht entspannt sich. »Komisch, wie sehr wir uns an sie gewöhnt habe - an die Matscher, meine ich. Für mich sind das keine Monster mehr.“
    »Für mich auch nicht.«
    »Wir sind jetzt Freunde, nicht wahr, Linus?«
    »Ja.«
    »Hast du Angst vor unserem neuen Leben?«
    »Ja.«
    »Aber wir haben keine andere Wahl, oder?«
    »Ich glaube nicht, daß wir je eine hatten.«
    Drüben in den Ruinen der Intensivstation steht Wendy neben Hamilton und Pam, die auf zwei Tragen liegen. Sie schweigen. Welches Schicksal erwartet sie? Wie wird sich ihr Leben verändern?
    »Es ist ein bißchen dunkel hier«, sagt Pam.
    »Soll ich mehr Scheinwerfer anmachen?« fragt Hamilton und langt hinüber, um einen von einem Dutzend Notscheinwerfer zu aktivieren, die unter ihnen plaziert sind und nun in die staubige Luft am Ende der Trage emporscheinen.
    »Nein. Ist schon gut. Das macht mir keine angst mehr. Die Dunkelheit, meine ich.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagt Hamilton.
    »Und schau dir die Lichtstrahlen an«, sagt Pam. »Wie sie den Staub durchschneiden. Sie sind wie Säulen, nicht wahr? Stimmt's, Wendy?«
    Ein Katafalk von Skeletten säumt den Raum. Wendy klopft nervös mit einer Stahlpinzette auf ein Edelstahltablett und fühlt sich extrem alt. »Ja«, sagt sie. »Stimmt.«
    Unterdessen schleppt sich Karen humpelnd den felsigen Berg hoch, beleuchtet von einem Himmel, der oben Selbstmord begeht. Sie wird den Gipfel erreichen. Die Wände ihres Herzens sind so dünn wie Reispapier und ihre Lungen so fragil wie Pusteblumen. Von dort aus wird sie ein weiteres Mal die wache Welt verlassen.
    Sie spricht laut vor sich hin, ohne zu wissen, daß auch die anderen ihre Worte hören. Sie schaut den Berghang hinunter auf die verbrannten Wälder und die ausgestorbenen Vororte.
    »Ihr werdet schon sehen. Wir werden selbst diese Berge überragen. Wir werden unsere Herzen offenlegen, damit die Welt danach greifen kann. Wir werden Licht sehen, wo vorher Halbdunkel herrschte. Wir werden gemeinsam bezeugen, was wir gesehen und gefühlt haben. Das Leben wird weitergehen - für uns alle. Vielleicht müssen wir kriechen, stolpern, fallen. Aber wir
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