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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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zu machen, glauben Sie
mir dann?«
    Nervös nickte ich, ohne ihm Glauben zu schenken.
    »Beruflich machen Sie etwas Kreatives - vielleicht sind
Sie Künstlerin - und werden gut dafür bezahlt. Für diese Arbeit wird man Sie
immer gut bezahlen. Mit Geld gehen Sie großzügig um, vielleicht sogar zu
großzügig. Auch hier gibt es wieder ein Problem. Einmal in Ihrem Leben werden
Sie alles verlieren. Und ich glaube, das könnte schon bald sein.«
    »Ich glaube, es wird in den nächsten sechs bis zehn Monaten
sein«, sagte ich, da ich an meine Scheidung dachte.
    Ketut nickte, als wolle er sagen: Ja, das
kommt ungefähr hin. »Aber machen Sie sich keine
Sorgen«, meinte er. »Nachdem Sie alles verloren haben, bekommen Sie alles
wieder zurück. Es wird Ihnen gleich darauf wieder gut gehen. Sie werden
zweimal verheiratet sein. Einmal kurz und einmal lang. Und Sie werden zwei
Kinder haben ...«
    Ich wartete, dass er sagte, »eins kurz, das andere lang«,
doch plötzlich schwieg er und blickte stirnrunzelnd auf meine Hand.
»Merkwürdig ...«, sagte er dann - was man weder von einem Wahrsager noch von
seinem Zahnarzt hören möchte. Er bat mich, direkt unter die herabhängende Glühlampe
zu treten, damit er besser sehen könne.
    »Ich habe mich geirrt«, verkündete er. »Sie werden nur ein
Kind bekommen. Erst spät, eine Tochter. Vielleicht. Falls Sie sich dafür
entscheiden. Liegt an Ihnen. Aber keine zwei Kinder. Ich habe mich geirrt. Was
ich für das erste Kind hielt, ist Ihr erster Mann.«
    Ich hatte mich von dieser beiläufigen Bemerkung noch nicht
ganz erholt, als der alte Mann mich anlächelte und meinte: »Und irgendwann,
schon bald, werden Sie nach Bali zurückkehren. Sie müssen. Sie werden drei,
vielleicht auch vier Monate bleiben. Und meine Freundin werden. Vielleicht
werden Sie bei meiner Familie leben. Ich kann Englisch mit Ihnen üben. Ich
hatte nie jemanden, mit dem ich hätte üben können. Ich glaube, Sie können gut
mit Wörtern umgehen. Ich glaube, diese kreative Arbeit, die Sie machen, hat mit
Wörtern zu tun, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Ich bin Schriftstellerin. Ich
schreibe Bücher!«
    »Sie sind eine Schriftstellerin aus New York«, sagte er zustimmend,
bekräftigend. »Also werden Sie nach Bali zurückkehren und hier leben und mich
in der englischen Sprache unterrichten. Und ich werde Ihnen alles beibringen,
was ich weiß.«
    Dann stand er auf und rieb sich die Hände, als wolle er sagen: Abgemacht.
    »Wenn Sie das ernst meinen«, sagte ich, »meine ich es auch
ernst.«
    Er strahlte mich zahnlos an und sagte: »See you
later, alligator. «
     
    9
     
    Wenn ein in neunter Generation praktizierender balinesischer
Medizinmann mir sagt, es sei mir bestimmt, ein zweites Mal nach Bali zu reisen
und dort vier Monate bei ihm zu leben, dann bin ich der Meinung, dass ich jede
denkbare Anstrengung unternehmen sollte, um das auch zu realisieren. Und so
begann die Idee eines Reisejahres schließlich Gestalt anzunehmen. Irgendwie
musste ich wieder nach Indonesien zurückkehren, und diesmal auf eigene Kosten.
Das war offensichtlich. Obwohl ich mir angesichts meines chaotischen Lebens
noch nicht so recht vorstellen konnte, wie. (Da war nicht nur eine Scheidung
auszuhandeln, gab es nicht nur die Probleme mit David, ich hatte auch immer
noch meinen Job bei der Zeitschrift, der mich davon abhielt, drei bis vier Monate
am Stück zu verreisen.) Aber ich musste wieder hin. Nicht wahr? Schließlich
hatte er es mir vorhergesagt! Das
Problem bestand darin, dass ich auch nach Indien wollte, um den Ashram meiner
Meisterin zu besuchen, und auch eine Reise nach Indien ist eine teure und
zeitaufwändige Angelegenheit. Und um das Ganze noch komplizierter zu machen:
Ich brannte schon eine Weile darauf, nach Italien zu gehen, in erster Linie, um
mein Italienisch vor Ort zu praktizieren, aber auch, weil mich die Vorstellung
reizte, einmal eine Zeit lang in einem Land zu leben, in dem man Vergnügen und
Schönheit verehrt.
    All diese Wünsche waren nicht leicht miteinander in Einklang
zu bringen. Vor allem Italien und Indien nicht. Was war wichtiger? Der Teil von
mir, der vongole in Venedig essen wollte? Oder
aber der, der lange vor Sonnenaufgang in der asketischen Umgebung eines Ashrams
erwachen wollte, um einen langen Tag der Meditation und des Gebets zu beginnen?
Der große Sufi-Dichter und -Philosoph Rumi hat seinen Schülern einmal geraten,
ihre drei größten Lebenswünsche niederzuschreiben. Falls ein Wunsch mit
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