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Giftkuss

Giftkuss

Titel: Giftkuss
Autoren: Zara Kavka
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Waldweges entfernte sich schnell. Erst als Katharina nichts mehr hörte, kroch sie aus ihrem Versteck.
    Zunächst entfernte sie alle Spuren, die sie mit ihren Schuhen hinter dem Busch verursacht hatte, dann ging sie barfuß und auf Zehenspitzen über den Rasen. Sie wusste, dass sie übertrieb, denn bei dem gut gepflegten, gerade erst geschnittenen Gras und der trockenen Witterung würden nicht einmal Spezialisten der Spurensicherung Rückschlüsse auf ihre Schuhe ziehen können, aber besser zu viel Vorsicht als zu wenig.
    Am Eingang angekommen, zog sie sich erst die Gummihandschuhe an, dann holte sie den Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete die Haustür. Eigentlich ein vertrauter Handgriff, doch heute fühlte sich alles neu an. Kein Wunder. Heute kam sie ja auch nicht zum Putzen, sondern um ihren Vater zu töten.
    Allein die Eingangshalle war so groß wie ihre gesamte Wohnung. Es war angenehm kühl und die Mischung aus Holzpolitur, Schuhputzmittel und teurem Parfum flößte ihr wie immer Respekt ein. Sie nahm das Gift und die Spritze aus ihrer Jackentasche, faltete die Jacke ordentlich zusammen und legte sie rechts neben der Eingangstür auf den Boden. Ihre Schuhe stellte sie dazu. Jeder Handgriff saß. Nun durchschritt sie die Eingangshalle, vorbei am weißen Garderobenschrank, an der Ahnengalerie, an der Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, vorbei an der angelehnten Wohnzimmertür bis ganz nach hinten zur Küche.
    Angesichts dieses perfekt geputzten Raumes stellte sich Zufriedenheit bei ihr ein. Sie mochte saubere Menschen und Anjas Mutter gehörte definitiv dazu. Am Dienstag hatte Katharina die Küche blitzsauber hinterlassen, heute war Freitag und sie sah fast noch genauso aus. Sie öffnete die Kühlschranktür und fand sofort die Milchtüte.
    »Anja, du sollst doch nicht von der Minus-L-Milch trinken. Die hab ich für Günther gekauft wegen seiner Laktose-Intoleranz.«
    Als Katharina neulich diesen Satz gehört hatte, wusste sie, wie er sterben würde. Sie holte die Milchtüte heraus und drehte den weißen Deckel ab. Erleichtert stellte sie fest, dass sie die Spritze nicht benutzen musste, denn die Milch war bereits angebrochen. Er hätte das Einspritzloch wahrscheinlich nicht entdeckt, aber so war es auf jeden Fall sicherer. Vorsichtig öffnete sie ihr kleines Fläschchen und schüttete das Gift in die Tüte. Es roch stark nach Bittermandel. Sie war aber zuversichtlich, dass er genug getrunken haben würde, bis er merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie hatte ihn schließlich lange genug beobachtet und kannte seine Gewohnheiten.
    Während sie die Milchtüte wieder zuschraubte, dachte sie darüber nach, wie einfach alles gewesen war. Kaliumzyanid stand in der Gerichtsmedizin unter »K« im Medizinschrank und der Schlüssel dafür lag in Professor Scholls oberster Schreibtischschublade. Ein Zaubermittel, genau richtig für ihre Zwecke. Sie wiederholte in Gedanken, was sie gelernt hatte: Sobald das Salz auf Magensäure stößt, entsteht giftige Blausäure. Dann dauert es höchstens noch fünf Minuten bis zum Tod durch Ersticken. Die Säure hemmt das Enzym, das für die Sauerstoffzufuhr der Zellen sorgt. Er würde Krämpfe haben, aber nicht lange. Und sie würde es mit ihm gemeinsam durchstehen.
    Der Gedanke an seine letzten fünf Minuten löste Panik und Vorfreude zugleich in ihr aus. Was, wenn er sie ein zweites Mal zurückwies? Würde sie das aushalten? Gedankenverloren kratzte sie mit der scharfen Deckelkante des Giftfläschchens an der Handwunde, bis sie wieder blutete. Blödsinn. Im Angesicht des Todes wird er mich um Vergebung anbetteln, was sonst? Die freudige Erwartung ließ ihr Herz höher schlagen.
    Sie lehnte sich an den Küchentresen und ging noch einmal alles Schritt für Schritt durch: Der Platz draußen neben dem Küchenfenster ist ideal, von dort kann ich das Haupttor und die Küche einsehen. Sobald er kommt, werde ich alles, was in der Küche passiert, genau beobachten. Beim Todeskampf werde ich bei ihm sein. Und wenn es dann zu Ende ist, hole ich die bereitgestellte Schubkarre aus dem Wald. Mit der gehe ich durch die Bäume am Rand des Grundstücks bis zur Terrasse. Auf die Weise hinterlasse ich keine Spuren. Dann muss er in die Karre, der erste schwierige Part. Im Haus alles säubern, zweimal abschließen, wie Anja. Zurück zum Gartentor geht’s schön bergab und auf dem kurzen Waldweg zum Auto habe ich noch nie jemanden gesehen außer Anja und ihrer Freundin, und die sind heute
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