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Giftkuss

Giftkuss

Titel: Giftkuss
Autoren: Zara Kavka
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geklingelt, ja, aber ich habe niemanden reingelassen.«
    Sabrina griff nach dem Din-A4-Blatt, das unter den Chipstüten und Pizzakartons hervorschaute.
    »Ich hab dir alles zurechtgelegt. Die Medikamente, das Essen, alles. Und hier…«
    Sie hielt ihr das Papier unter die Nase.
    »Diesen Zettel hatte ich dir geschrieben. Du hast mir versprochen, dass du dich um sie kümmerst.« Ihre Stimme überschlug sich.
    »Ja… stimmt.« Ihre Mutter legte sich den Zettel auf den Schoß, schaute verträumt auf ihn herab und strich ihn mit der rechten Hand immer wieder glatt, von unten nach oben.
    »Mama, sprich mit mir. WAS IST PASSIERT?«
    Ihre Mutter fing an zu weinen.
    »Mama!«
    »Ich weiß es nicht«, schluchzte sie. »Erst bist du tagelang weg und jetzt schreist du mich an.«
    Mitleid mischte sich mit Sabrinas Wut, eine Kombination, die ihr vertraut war.
    »Hast du Laura vergessen?«
    »Ich dachte, du hättest sie mitgenommen.«
    »Nicht weinen, Mama, nicht weinen.«
    Sabrina trat zur Seite, damit ihre Mutter wieder freien Blick auf den Fernseher hatte. Nur so würde sie sich beruhigen, sie konnte ihre Mutter einfach nicht weinen sehen. Das konnte sie noch nie.

1. Kapitel
    Katharina blickte auf die Uhr. Noch zwei Minuten, darauf konnte sie sich verlassen. Er war immer pünktlich. Als Vorstandsmitglied eines großen Versicherungsunternehmens hatte er das schnell gelernt.
    Und tatsächlich: Um genau 18.45 Uhr verließ er das Haus für seine große Runde. Etwa zweieinhalb Stunden war er freitags unterwegs, eine todsichere Angelegenheit, schon seit Jahren.
    Katharina schloss kurz die Augen und atmete zweimal tief durch. Immer wenn sie ihn sah, wurde ihr schlagartig übel. Der Satz Ich finde dich zum Kotzen war für sie bittere Realität geworden. Doch heute durfte sie keinen Augenblick Schwäche zeigen. Sie beobachtete, wie er das 2000-Euro-Rennrad aus dem Fahrradschuppen holte.
    »Papa, meinst du, der Weihnachtsmann bringt mir ein Fahrrad?«
    »Der Weihnachtsmann ist doch kein Geldscheißer. Schlag dir das aus dem Kopf!«
    Sie schluckte die Erinnerung und die Übelkeit runter. Sein aufrechter Gang strahlte Selbstsicherheit aus und seine Bewegungen waren zielgerichtet und kraftvoll. Nichts, rein gar nichts ließ den Bruch in seinem Leben erkennen. Wie ein Chamäleon, das die Farbe seiner Umgebung annimmt, hatte er sich seinem neuen Leben angepasst.
    Sie spürte einen Schmerz in ihrer rechten Hand und entspannte sich. Ihre Faust hatte sich derart zusammengekrampft, dass der Nagel des kleinen Fingers die Haut verletzt hatte.
    Lässig, mit weit gespreizten Ellenbogen, rollte er in der Mitte der Auffahrt hinunter, als wollte er klarmachen, welch enorme Daseinsberechtigung er hatte. Endlich verschwand er hinter dem eisernen Tor.
    Sina, die zweite Frau ihres Vaters, hatte Katharina bereits vor einer halben Stunde mit ihrem roten BMW aus der Garage fahren sehen. Zu einem dienstlichen Abendessen, wie sie ihr selbst am letzten Dienstag erzählt hatte. Fehlte nur noch Anja. Auch sie würde gleich kommen, denn wenn sie um 19 Uhr bei Cleo sein wollte, musste sie sich jetzt aufs Fahrrad schwingen.
    Katharina betrachtete ihre kleine Wunde und leckte vorsichtig den Dreck weg. Mit der anderen Hand befühlte sie prüfend die Innentasche ihrer Jacke. Das Fläschchen und die Spritze waren noch da. Sie drehte sich nach rechts und schaute über die riesige Rasenfläche und den Pool.
    Obwohl sie das Haus nun schon seit fünf Jahren kannte, überwältigte sie der Anblick dieses grenzenlosen Reichtums noch immer. Die makellos polierte Fensterfront des Wohnzimmers und die glatte Wasseroberfläche des Swimmingpools spiegelten die Abendsonne wider. Die Holzliegestühle waren mit Plastikplanen abgedeckt und die Sonnenschirme ordentlich zusammengeschnürt, wie es sich gehörte.
    18.53 Uhr. Die Haustür ging auf. Sie beobachtete, wie Anja ihr Fahrrad aus der Garage holte und sich daraufsetzte. Katharina kroch etwas tiefer ins Gebüsch, denn Anja würde über den Rasen fahren. Der Weg durch den Wald war kürzer und sie nahm ihn immer, wenn ihre Eltern nicht da waren. Ihr blonder Pferdeschwanz flatterte im Fahrtwind und ihr knallroter Lippenstift ließ sie selbstbewusst und fröhlich wirken. Einmal so unbeschwert sein wie sie. Wie oft hatte sich Katharina das in den letzten Jahren gewünscht. Heute Nacht würde sie diesem Wunsch ein großes Stück näher sein.
    Das Gartentor zum Wald quietschte laut und das Knirschen der Fahrradreifen auf den Steinchen des
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