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Giftkuss

Giftkuss

Titel: Giftkuss
Autoren: Zara Kavka
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Hand in die ihre und wippte mit dem Oberkörper auf und ab und auf und ab. Nach einer Weile wurden ihre Schreie zu tiefen Schluchzern. Sie schüttelten ihren gesamten Körper. Noch nie hatte Katharina geweint, nicht einmal als Laura gestorben war. Alte, tief vergrabene Erinnerungen drängten mit jedem Schluchzen an die Oberfläche.
    Lauras lebloser Körper.
    Mamas starre Augen.
    Papas Lächeln auf dem Foto.
    Das Rennrad.
    »Verschwinde, ich habe keine Tochter!«
    Irgendwann verblassten die Bilder und am Ende war nur noch Leere. Anjas Hand fühlte sich wie Gummi an und Katharina stieß sie weg. Sie musste verschwinden und die Spuren beseitigen. Und sie brauchte einen neuen Plan. Kaum hatte sie das gedacht, kam ihr eine Idee.
    Sie stand auf und blickte auf die Uhr. Draußen tobte ein Gewitter, umso besser. Ihr Vater würde bestimmt irgendwo einkehren und noch später nach Hause kommen als gewöhnlich. Aber besser war es, sich nicht darauf zu verlassen.
    Hochkonzentriert ging Katharina an die Arbeit. Zuerst erneuerte sie ihre Gummihandschuhe und bedeckte ihre Haare mit einer Plastikhaube. Dann schüttete sie die Milch in den Spülstein, steckte die leere Tüte ein, putzte Anjas Zimmer, den oberen Flur und die Treppe. Sie hatte vorsorglich die besten Reinigungsmittel mitgebracht, damit sie sicher sein konnte, dass keinerlei Spuren zurückblieben.
    Aus dem Wäschekorb im Keller kramte sie einen schmutzigen Jogginganzug ihres Vaters und zog ihn über ihre Sachen. Dann nahm sie eines seiner gebrauchten Sporthemden und wickelte es um Anjas Kopf. So war die noch immer leicht blutende Wunde abgedeckt. Sie entkleidete Anja vollends und steckte ihre Sachen in eine Plastiktüte. Jetzt konnten auch keine Haut- oder Kleidungspartikel von Katharina mehr sichergestellt werden. Dann nahm sie ein neues Kleid aus Anjas Schrank und zog es ihr vorsichtig über den Kopf.
    Als all das erledigt war, holte sie die Schubkarre, legte Anja drauf und schob sie zu dem großen Wagen, den sie gemietet hatte. Sie steckte Anja in einen extra mitgebrachten Leichensack, legte sie in den Laderaum, stellte die Schubkarre daneben und schloss die Tür. Fertig.
    Der Weg zum Friedhof verlief ohne Komplikationen. Das Gewitter hatte die Luft abgekühlt und die Menschen saßen wohl noch immer verschreckt in ihren Häusern, sodass auf den Straßen kaum etwas los war. Sie kam unbeobachtet bis zu Teichmanns Grab.
    Dort stellte sie sich knöcheltief in den Matsch und grub das Loch noch tiefer. Schippe für Schippe hob sie die Grube weiter aus und hatte dennoch das Gefühl, keinen Millimeter voranzukommen. Das Geräusch der Schaufel, wenn sie sie in die nasse Erde stieß, und das matschige Schlürfen, wenn sie sie wieder heraushob, schnitten durch die Grabesstille, die ansonsten auf dem Friedhof herrschte. Die Erde war vom Regen extrem schwer und ihre Hand tat schrecklich weh wegen der Wunden.
    Irgendwann wurde es dunkel und sie musste aufhören, auch wenn sie das Gefühl hatte, kaum etwas geschafft zu haben. Egal, sie musste das Loch ja schließlich nicht so tief graben, wie ursprünglich geplant. Anja sollte im Gegensatz zu ihrem Stiefvater entdeckt werden. Sie legte die Leiche vorsichtig in das Grab und schaufelte die ausgehobene Erde wieder zurück. Dabei achtete sie darauf, dass am Ende noch ein Stück ihres Fußes zu sehen war.
    Als sie fertig war, pustete sie in ihre schmerzenden Hände und blickte in die Grube hinunter. Wieder schossen ihr Tränen in die Augen. Sie würde Anja nie wiedersehen. Dabei hatte sie sie gemocht. Wieso hatte sie nur diese Dose finden müssen?
    »Es tut mir so leid, Anja, wirklich. Es war anders geplant, ganz anders. Er sollte verschwinden, nicht du. Und wir… wir hätten sogar Freundinnen werden können, vielleicht.« Kurz schwankte Katharina und sie musste sich auf die Schaufel stützen, um nicht in das Grab zu fallen. »Du hast nichts falsch gemacht, wirklich nicht. Und du bekommst noch eine richtige Beerdigung, versprochen.«
    Während sie so dastand und hinabblickte, beneidete sie Anja plötzlich um die Ruhe, die sie ab jetzt für immer umgab. Die lebensfrohe Anja. Dass sie hier lag, war falsch - wie so vieles in ihrem eigenen bisherigen Leben.
    Sie schüttelte die Gedanken ab und machte sich auf den Weg zum Auto. Dabei überlegte sie, ob sie alles bedacht hatte. Ihre Spuren im Haus waren beseitigt. Jetzt musste sie nur noch die Schubkarre entsorgen. Und morgen würde sie das Auto wegbringen und darüber nachdenken, wo sie das
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