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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE
Autoren: Thomas Müller
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Sicherheitsauflagen und unter Anwesenheit von Vertretern der zuständigen Polizei und Justiz sowie jener Institution, die als Geschädigte galt, wurde mir mitgeteilt, dass es einem langjährigen Mitarbeiter gelungen war, aufgrund seiner technischen Fähigkeiten, aber auch wegen seiner routinemäßigen Arbeit in hochsensible Datenbanksysteme einzudringen und Informationen zu kopieren, die keinesfalls für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Sämtliche anwesenden Personen während dieses ersten Treffens zeigten sich bestürzt angesichts der Tatsache, dass es einem einzelnen Mitarbeiter überhaupt möglich war, an derart viele, brisante Informationen heranzukommen. Gerade die Repräsentanten jener Institution, für die dieser Mann Jahre, ja sogar Jahrzehnte gearbeitet hatte, zeigten sich betroffen darüber, wer denn nun eigentlich für diesen Datendiebstahl verantwortlich zeichnete.
    Ein Mann, von dem man noch bis vor drei Tagen behauptet hätte, er wäre einer der intelligentesten, aufgeschlossensten und loyalsten Mitarbeiter. Es gab einen Augenblick während des Gespräches, bei dem ich das Gefühl hatte, dass die Tatsache der Handlung selbst für die Verantwortlichen der Institution zwar extrem besorgniserregend, ja sogar existenzgefährdend war; der Umstand jedoch, dass sie nicht erkannten, dass gerade diese Person verantwortlich zeichnete, erschütterte die Entscheidungsträger viel mehr. Ich hatte den Eindruck, dass sie persönlich sehr betroffen waren. Gerade die Zusammensetzung der Persönlichkeiten im Falle einer Krisensitzung zeigt in der Regel die Dimension der Krise an. In diesem Falle waren es nicht nur der Staatsanwalt und der für die operative Tätigkeit zuständige Chef der Kriminalpolizei. Nein, es waren sogar der Leiter der Justizbehörde sowie auch die Justiz- und Innenminister persönlich erschienen, um an der Besprechung teilzunehmen. Man ersuchte mich in einer nicht zu überbietenden Deutlichkeit, sämtliche Mitwirkende nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen, wobei der Rückführung der Daten oberste Priorität eingeräumt wurde. Man wollte unter Einhaltung sämtlicher rechtlicher Bestimmungen die Informationen schützen, isolieren, entweder vor Ort, wo immer sie waren, vernichten oder zurückführen. Es ging nicht nur um eine Gefährlichkeitseinschätzung. Es ging vor allem um die Möglichkeit, mit jenem Mann auf eine adäquate Art und Weise Kontakt aufzunehmen, in eine Art Verhandlungssituation zu treten, um überhaupt zu erfahren, was das Motiv dieser eigenartigen Handlung war. Nun wurde mir allmählich klar, warum der Polizeipräsident selbst mit mir sprechen wollte, aber vor allem, warum er am Telefon keine Information preisgeben wollte. Andererseits war ich aber kurzfristig naiv genug zu glauben, dass man mir verraten würde, um welche Daten es sich handelt. Und auf meine Frage, die ich bereits bereute, als ich sie ausgesprochen hatte, wurde mir zunächst mit einem verhaltenen Schweigen geantwortet. Erst nach einem zustimmenden Nicken des Justizministers gab mir der Leiter der Staatsanwaltschaft ganz einfach zu verstehen: „Die Daten sind sehr sensibel. Äußerst sensibel sogar. Und es wäre eine äußerst delikate Situation, wenn sie an die Öffentlichkeit geraten würden.“

sieben
    Monate später, in denen es gelungen war, elektronisch Kontakt mit jenem Mann aufzunehmen, erste Informationen auszutauschen und erste vorsichtige Versuche zu unternehmen, zu hinterfragen, warum er eigentlich diese Informationen an sich gebracht hatte, stand nun das erste persönliche Treffen kurz bevor. 21.00 Uhr, Nordseite Pont de la Machine, Genf / Schweiz. Als ob ich, nach einem längeren Tauchgang an die Oberfläche zurückkehrend, tief Luft holen würde, stiegen meine Blicke aus der Tiefe des Sees an die grünlich schimmernde Wasseroberfläche zurück und wanderten langsam hinauf zum Uhrturm der Brücke.
    Noch immer lehnte ich mit dem Rücken am Abschlussgeländer der Brücke. Gerade als ich den westseitigen Handlauf des Brückengeländers mit meinem Blick nach Süden strich, sah ich im Schein eines Feuerzeuges zum ersten Mal das Gesicht von Ello Dox. Er zündete sich gerade eine Zigarette an, wobei er zu diesem Zweck kurz, einem Zinnsoldaten ähnlich, auf einem Bein stehen geblieben war. Das andere Bein hatte er etwas angewinkelt über dem Boden gehalten. Als ob er das immer so machen würde, begann er sich wiederum in Bewegung zu setzen, als das Licht des Feuerzeuges erlosch. Einer
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