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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE
Autoren: Thomas Müller
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Sees und von dort in die weit entfernt scheinende Häuserzeile entlang des Sees reichte. Ein beeindruckender Anblick – ein weiteres Uhrengeschäft. Eine Bank und endlich etwas weiter am Place de Bergues ein bisschen Natur. Fünf Platanen, erbarmungslos zurückgestutzt, wirkten wie knorrige Phantasiegestalten, die ihre knolligen Astspitzen in den nunmehr bläulich-bleigrauen Himmel emporstreckten. Ganz vereinzelt, wie die ersten Boten des nahenden Frühlings, zwängten sich die ersten Blättchen am Ende der Knollen nach außen.
    Ein Immobiliengeschäft bot Villen und Paläste in der ganzen Schweiz an, in Luzern, Sankt Moritz und anderen Orten. Aber die Auslagenscheibe war mit Hochglanzbildern international ausgestattet. Ein kleines Schlösschen um 6,5 Millionen Schweizer Franken in den Vogesen fand sich ebenso zum Kauf wie eine luxuriöse Villa mit hochwertiger Ausstattung in Sierra Blanca, Marbella, an der Costa del Sol in Spanien. Bei fünf Schlafzimmern und sieben Badezimmern verstand es sich von selbst, dass der Preis lediglich auf Anfrage zur Verfügung stehen durfte. Ein Bentley, schwarz, daneben ein Mercedes, dieselbe Farbe, wuchtig und auf Hochglanz poliert. Im Hintergrund die beleuchtete Fontäne, die zig Meter in den Himmel schoss und in einer gardinenartigen Kaskade die feuchten Tröpfchen zurück in den See brachte.
    Warum Genf? Warum wollte er mich in Genf treffen? Warum hier am Ende des Genfer Sees? Warum auf der Pont de la Machine? War es Zufall? Sicher nicht. Ich kannte ihn von seinen Eingaben. Von den ersten E-Mail-Kontakten. Von seinen Argumenten. Bei diesem Mann war nichts Zufall. Kein Ausdruck, keine Örtlichkeit, keine Formulierung und schon gar nicht die Tatsache, dass er mich um Punkt 21.00 Uhr auf der Nordseite der Pont de la Machine treffen wollte. Mir war es, als wollte er allein mit der Wahl dieser Örtlichkeit bereits etwas zum Ausdruck bringen.
    Die Leuchtreklamen der Banken und Hotels. Die fast unendlich wirkende Lichterkette, die den halben westlichen Seeteil des Genfer Sees einzurahmen schien. Selbst die indirekte Beleuchtung einer kleinen Steininsel, auf der ein paar alte Bäume um die so ersehnten Frühlingssonnenstrahlen kämpften, aber vor allem diese Brücke. Pont de la Machine. Mit der hell erleuchteten Uhr, welche über dem ehemaligen Elektrizitätswerk thronte. Irgendetwas drückte er bereits aus, ohne dass er hier war. Er kommunizierte bereits, ohne dass er etwas sagte. Dieser Mann, das wusste ich, seitdem ich das erste Mal seine Akte gelesen hatte, war nicht zu unterschätzen.
    Trotzdem, oder gerade deswegen, gefiel mir dieser Ort, der in einen tief dunkelgrün schimmernden Genfer See eingebettet war.
    Die Neonlichter, die sich in allen erdenklichen Farben im leicht gerippten Wasser kaleidoskopartig widerspiegelten. Die angenehme Temperatur, die Sauberkeit, aber vor allem die Spannung des bevorstehenden Treffens, all das verschaffte mir jene innerliche Ruhe, die ich immer wieder verspürte, wenn ich ein hochkomplexes, aber interessantes Gespräch bestens vorbereitet in Angriff nahm.
    10 Minuten vor 21 Uhr. Sollte ich mich aufstellen wie ein Laternenpfosten, direkt am nördlichen Ende der kleinen Brücke? Oder sollte ich mich im Hintergrund halten, um zunächst zu beobachten, wer überhaupt kam? War es nicht auch ein bisschen ein Spiel, zu erraten, wer denn nun Ello Dox wäre? Würde er mit einem Fahrrad oder einem Auto vorfahren? Würde er hastig von der anderen Seite der Brücke zum vereinbarten Treffpunkt laufen? Aber obwohl ich wusste, dass man in eine Verhandlung immer später einsteigen sollte, als vereinbart ist, um Zeit zu gewinnen, entschied ich mich, diesmal pünktlich zu sein. Pünktlich an jenem Ort zu stehen, der vereinbart war. 21.00 Uhr: Nordende der Brücke „Pont de la Machine“. Und während ich mit dem Rücken an jenem Geländer lehnte, das die Brücke zum Place de Chevelu abgrenzte, und dabei meinen Blick in einer inneren Zufriedenheit von Osten über die Genfer Fontäne über die nunmehr hell erleuchtete Skyline nach Westen zu den Ausläufern des Sees und die deutlich verengte Rhône streifen ließ, lag diese Pont de la Machine so friedlich vor mir, wie der Landestreifen eines kleinen Flugfeldes. Links und rechts eingerahmt von den rautenförmig eingefassten Eisengittern, warf der durch die abertausend Lampen erzeugte Schatten des doppelten Handlaufes eine fast weiße Mittellinie, bei der ich geneigt war, mit kindlicher Freude entlang zu laufen. Aber
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