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Gier

Gier

Titel: Gier
Autoren: Garry Disher
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hochlief, fühlte er sich leicht, kraftvoll und elastisch. Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen, dann steuerte er auf das große Schlafzimmer an der Vorderseite des Hauses zu. Er stand auf der Türschwelle und musterte das Zimmer. Ein King-Size-Bett, Ankleidetisch, Schränke, tibetische Brücken auf dem Teppichboden, die Tür zum angrenzenden Badezimmer stand halb offen. Er lief quer durch das Zimmer und schaltete eine Nachttischlampe an. Das Armband von Carrier lag im Schmuckkasten. Er schob es in seine Jackentasche, ignorierte Ringe und Broschen, fand Frames Rolex und steckte sie zum Armband.
    Er ging nach unten. Das Eßzimmer befand sich ebenfalls auf der Vorderseite des Hauses. Laut Ivans Einkaufsliste sollten sich das Meißner Porzellan und die silbernen Becher in der Anrichte unter dem Fenster, die Imari-Vasen und die antike Achtzigtausenddollarstanduhr auf dem Kaminsims befinden. Er fand sie, wickelte jedes Stück in Schaumstoff und packte alles in eine Kunststofftasche.
    Frames Krügerrand und andere, seltene Münzen waren in einer Tischschublade im Büro. Die meisten Münzen lagen auf grünem Filz in einer länglichen Holzschachtel. Ein paar Einzelstücke waren in verplombte Plastiktäschchen verpackt. Wyatt kippte alle Münzen in eine zweite Tasche und ging in die Eingangshalle des Hauses zurück.
    Irgend etwas stimmte nicht.
    Sugarfoot war nicht mehr da, nur die Haushälterin. Sie war im Stuhl zusammengesunken, das Kinn auf der Brust. Wyatt stellte die Taschen auf dem Boden ab. Er trug immer noch seine Handschuhe, als er das Klebeband von ihrem Mund löste und ihr Kinn hob.
    Ein roter Striemen lief über ihre Wange. Die Gesichtszüge waren schlaff. Ihre Bluse war aufgeknöpft und ein Strumpf bis zum Knie heruntergerutscht. Er tastete hinter dem Ohr nach ihrem Puls. Als er ihn fand, fühlte er ihn flattern und aussetzen. Er trat zurück mit einem Bild vor Augen: Sugarfoot, auf und ab schreitend, ohne jeden Verstand seinen Groll an der Frau auslassend.
    Wyatt schlug mehrmals auf ihre Brust und suchte erneut ihren Puls. Nichts. Er ließ von ihr ab, um sich ein letztes Mal umzusehen. Etwas weiter den Flur entlang stand die Tür zu einem der Zimmer offen. Vorher war sie geschlossen gewesen. Er sah hinein. Es war ein kleines, gemütliches Fernsehzimmer. Abgesehen von einigen teuren Gemälden an der Wand machte es einen bescheidenen Eindruck. Aber die Anordnung der Bilder war irgendwie schief, und Wyatt, der das Zimmer durchquerte, um das näher zu untersuchen, entdeckte einen leeren Haken.
    Er ging nach draußen und sagte sanft: »Sugar.«
    Sugarfoot Younger schloß den Kofferraum des Taxis. »Yo?«
    »Gib’s mir.«
    Sugarfoot runzelte die Stirn und sah verdutzt aus.
    »Das Bild«, sagte Wyatt geduldig. »Gib’s mir.«
    »Machst du Witze? Weißt du, was das ist?«
    Wyatt sprach nicht, sein schmales Gesicht verfinsterte sich. Er streckte seine Hand aus.
    Mit angewidertem Gesicht öffnete Sugarfoot den Kofferraum und zog ein Gemälde von der Größe eines Taschentuches heraus. Der Rahmen war ziemlich breit, mit Ornamenten versehen, die goldene Farbe schimmerte. Wyatt ging ins Haus zurück und hängte das Bild wieder auf. Der Name auf dem Messingschild interessierte ihn nicht.
    Er lief nach draußen zum Taxi, ließ die Taschen und die Leiche, wo sie waren. Kalte Wut überkam ihn. Unter anderen Umständen hätte er Sugarfoots Leiche ebenfalls zurückgelassen.

Zwei
    Sugarfoot lehnte an der Tür des Taxis. Er sah Wyatt herauskommen und warf seine Zigarette weg. »Was ist mit dem Schmuck und dem anderen Zeug?« fragte er.
    Wyatt ignorierte ihn. Er trat die Zigarette aus, hob sie auf und steckte sie in seine Jackentasche. Er fühlte, daß er kurz vor der Explosion stand. Er sagte eiskalt: »Wir lassen alles hier. Steig ein und fahr.«
    Sugarfoot wartete ein paar Herzschläge lang, gab Wyatt zu verstehen, daß er dem Befehl Folge leisten würde, wenn es ihm paßte, und stieg dann hinters Lenkrad. Wyatt setzte sich auf den Beifahrersitz, schloß die Tür und starrte nach vorn durch die Windschutzscheibe.
    Sugarfoot fuhr durch Toorak in Richtung Yarra. »Ivan wird angepißt sein«, sagte er und versuchte, es milde auszudrücken.
    »Wo ist das Problem?«
    Wyatt fühlte ein Pochen in seinem Kopf. Er schloß die Augen, bis es nachließ.
    »Was hast du mit ihr gemacht?«
    »Mit wem?«
    Wyatt wartete, bis sie abgebremst hatten, um in den MacRobertson Bridge Kreisel einzufahren, dann griff er hinüber, zog ruckartig die
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