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Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)

Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)

Titel: Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)
Autoren: Amanda Frost
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keinerlei Befriedigung: Er würde trotz allem zu spät kommen – woraus ihm Zacharias, der Vorsitzende des Regierungsrates, mit Sicherheit wieder einen Strick drehen würde. Wie jedes Mal, wenn Rafael etwas vergeigte.
    Während im Hintergrund die violetten Bergketten in gleißendes Licht getaucht wurden und überirdisch schimmerten, kam vor ihm das im Sonnenaufgang funkelnde Regierungsgebäude in Sicht. Eine gigantische kupferfarbene Kugel ruhte in schwindelerregender Höhe auf einem pyramidenförmigen Pfeiler und vermittelte den Eindruck, frei im Raum zu schweben. Seit Fertigstellung des Bauwerks wartete Rafael darauf, dass diese mit ohrenbetäubendem Getöse herunterkullerte. Doch die Kugel trotzte der Schwerkraft unermüdlich und war zweifellos die imposanteste architektonische Meisterleistung aller Zeiten.
    Rafael leitete den Sturzflug ein und brachte das Gefährt schlitternd auf dem gepflegten roten Rasen am Fuße des Pfeilers zum Stillstand. Wie bei einem Polospiel stoben Grasbüschel auf und jagten wie kleine pelzige Vögel durch die Luft, bevor sie letztendlich zu Boden torkelten. Das sanfte Schnurren der Triebwerke erlosch und ging in ein kaum wahrnehmbares Zischen über.
    Kopfschüttelnd blieben vorbeieilende Passanten stehen, denn die Wiese wirkte nun wie frisch durchpflügt. Doch Rafael registrierte die Verwüstung nicht einmal, so schnell spurtete er, mehrere Stufen auf einmal nehmend, die frei schwebende Treppe zum Eingang hinauf. Durch einen beherzten Sprung erwischte er auf Anhieb den gläsernen Fahrstuhl, der ihn lautlos nach oben zu den schalldichten Besprechungsräumen katapultierte.
    Durch Zufall und gänzlich gegen seinen Willen war er vor vier Wochen in die Schlussphase eines heiklen Projektes geraten. Denn ausgerechnet, als das Geheimvorhaben „Zukunft“ sich dem Abschluss näherte, war sein Vater, ein Mitglied des Regierungsrates, so schwer erkrankt, dass er sein Amt niederlegen musste. Und aufgrund der Nachfolgeregelung, die auf Siria seit Generationen Geltung hatte, wurde Rafael in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den Rat berufen.
    Mit seinen dreißig Jahren war er das jüngste Mitglied, das jemals dem Regierungsrat angehört hatte, und damit Zacharias von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen. Der Vorsitzende hielt ihn für einen nichtsnutzigen Faulpelz, und insgeheim kam Rafael nicht umhin, Zacharias Recht zu geben. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass er in den letzten drei Jahren, seit Caras Tod, kaum mehr etwas mit Nachdruck verfolgt hatte. Außer vielleicht beim Sport, um sich abzureagieren. In erster Linie jedoch hatte er sich unmotiviert dahintreiben lassen, seit ihm sein Lebensmittelpunkt entrissen worden war.
    „Dreißigster Stock, bitte aussteigen!“, holte ihn die wohlklingende Computerstimme des Aufzugs in die Realität zurück. Sekunden später rauschte er in das Besprechungszimmer. Zacharias stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und blickte ihm mürrisch entgegen. Außer ihm und seinem treu ergebenen Berater Gregor starrten ihn drei weitere Männer an, alle in langweilige weiße Overalls gehüllt.
    „Tut mir leid, Zach, die Hydraulikleitung meines Gleiters hatte ein Leck.“ Rafael fuhr sich mit den Fingern durch die verwuschelten Locken und versuchte sie aus dem Gesicht zu schubsen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn auf der Stelle sprangen sie in ihre Ausgangsposition zurück.
    Ihm blieb nicht verborgen, dass Zacharias bei der respektlosen Anrede pikiert zusammenzuckte. Aber warum nur glotzte der Alte ihn an, als hätte Rafael vergessen, sich etwas anzuziehen? Verwundert schaute er zu Boden und nahm von den schwarzen Ölflecken Notiz, die seinen normalerweise blütenweißen Overall übersäten. Als hätte sich eine Horde Spinnen samt Babys auf ihm niedergelassen! Es war unschwer zu erkennen, dass er der Hydraulikleitung in Eigenregie zu Leibe gerückt war.
    Zacharias trommelte ungeduldig mit den Fingern auf seinen Oberarm. „Nun, wir waren schon sehr gespannt, welche Ausrede du wohl heute parat hast. Ich wünschte mir, du würdest unser Projekt mit ein wenig mehr Seriosität betrachten. Du bist und bleibst ein Kindskopf!“ Er warf den anderen Männern einen um Bestätigung heischenden Seitenblick zu, erntete jedoch keinerlei Reaktion.
    „Gut, nimm dir eine Tasse Kires und begib dich auf deinen Platz, damit wir endlich in die Gänge kommen.“ Mit diesen Worten ließ Zacharias sich vor einem Schaltpult nieder, das wie ein
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