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Ghostman: Thriller (German Edition)

Ghostman: Thriller (German Edition)

Titel: Ghostman: Thriller (German Edition)
Autoren: Roger Hobbs
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sämtliche Messages löschen. Wenn die E-Mail von jemand anderem gekommen wäre, würde ich die Computer verschmoren, meine Tasche packen und ein Ticket für den nächsten Flug nach Russland kaufen. In zwanzig Minuten wäre ich weg.
    Aber sie war nicht von jemand anderem gekommen.
    Nur zwei Menschen auf der Welt kannten diesen Namen.
    Ich stand auf und ging zu der Kommode am Fenster. Ich schob einen Stapel Geldscheine und einen vollgeschriebenen Notizblock zur Seite. Wenn ich nicht mit einem Job beschäftigt bin, übersetze ich die Klassiker. Ich nahm ein weißes Hemd aus der Schublade, holte einen grauen Anzug aus dem Schrank und ein ledernes Schulterhalfter aus der Kommode. Aus der Schachtel, die oben draufstand, angelte ich einen kleinen silbernen Revolver: einen Detective Special, an dem der Abzugbügel und der Schlagbolzensporn abgefeilt waren, und ich lud ihn mit einer Handvoll .38er Hohlspitzpatronen. Als ich angezogen und fertig war, holte ich ein altes internationales Handy mit Prepaid-Karte hervor, schaltete es ein und wählte die Nummer .
    Am anderen Ende klingelte es nicht mal. Sofort war jemand dran.
    » Ich bin’s«, sagte ich.
    » Du bist schwer zu finden, Jack.«
    » Was willst du?«
    » Ich will, dass du in mein Clubhaus kommst«, sagte Marcus. » Und bevor du fragst: Du bist mir noch was schuldig.«

ZWEI
    Sogar über die Straße hinweg roch der Five Star Diner nach Zigaretten und Aftershave. Er klemmte wie eine Mülltonne zwischen der Zuliefergasse eines Restaurants und einem Pornoladen in der Trinkerhälfte von Belltown, einen Block weit von der Space Needle entfernt. Unter der Straßenlaterne parkte ein Rudel Motorräder. Das Innere war von mattem Neon und einer Jukebox voll glänzender CD s beleuchtet. Die Tür stand offen. Selbst um diese Zeit hatte die Hitze noch nicht nachgelassen.
    Der Fahrer ließ das Taxi vor dem Eingang ausrollen. Verglichen mit den Orten, an denen ich schon gearbeitet habe, wie Vegas oder São Paolo, gibt es in Seattle nur wenige schlechte Gegenden. Verglichen mit anderen Städten ist es praktisch makellos. Das Viertel hier war eine Ausnahme. Die Gasse zwischen den Gebäuden sah aus wie eine Obdachlosenunterkunft; sie war voll von Decken und leeren Flaschen und stank nach schalem Bier und Motoröl. Ich zahlte den Fahrpreis durch die Cash-Öffnung in der Plexiglastrennwand, und der Fahrer wartete nicht länger als nötig. Er fuhr weg, sowie meine Füße auf dem Asphalt standen und meine Hand den Türgriff losgelassen hatte.
    Ich ging in die Gasse hinein und betrat den Laden durch die Küche. Das Five Star war ein öffentliches Lokal, dachte ich. Wo jeder, der Augen und Ohren hatte, Zeuge sein konnte. Hier drinnen wäre es schwerer, etwas wirklich Schlimmes zu tun. Marcus wollte mir signalisieren, dass er nicht vorhatte, mich umzubringen. Wenn er das gewollt hätte, hätte er mir auch keine E-Mail geschickt. Er hätte mich selbst aufgestöbert, mir ein Kissen auf das Gesicht gedrückt und eine Kugel hindurchgejagt, wie er es damals immer getan hatte. Wer sich hier traf, konnte sich genauso gut vor ein Polizeirevier stellen. Ich wurde nicht schlau daraus. Ein Grund mehr zur Beruhigung.
    Marcus hatte noch nie jemanden in seinem eigenen Diner umgebracht.
    Trotzdem, er hatte viele Gründe, mich auszuschalten. Ein Job, an dem wir zusammengearbeitet hatten, war in die Binsen gegangen, und sein Ruf hatte schwer darunter gelitten. Aus dem internationalen Mastermind war über Nacht ein abgefuckter Drogenlord geworden. Er hatte unter den besten Akteuren der Welt wählen können. Jetzt musste er den Abschaum der Straße engagieren, um sich schützen zu lassen. Nach diesem Job hatte ich gedacht, er würde mich nie wiedersehen wollen. Ich hatte gedacht, er würde mich erschießen, bevor er mir eine E-Mail schickte. Aber irgendwie hatte ich gewusst, dass der Tag kommen würde. Ich war ihm was schuldig.
    Der Wachtposten hinten hatte mich erwartet. Ein massiger Typ in Jeans, der sich mein neues Gesicht ausführlich anschaute, bevor er mich durchließ. Er nickte, als ob er mich erkannt hätte, aber das hatte er nicht, da war ich sicher. Ich habe mich so oft verändert, dass ich selber vergessen habe, wie ich aussehe. Meine jüngste Inkarnation hatte hellblondes Haar, nussbraune Augen und eine Haut, die käseweiß war, weil ich so gut wie nie nach draußen ging. Nicht alles ist plastische Chirurgie. Kontaktlinsen, Gewichtsabnahme und Haarfarbe können einen Mann stärker verändern als
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